6.12.17

Der Mord nach Rezept-Adventskalender
6. Dezember

Der Krimi für den 6. Dezember - Nikolaustag

Gott sieht fast alles

Von H.P. Karr

Lohmann beugte das Knie vor der Madonna und schlug das Kreuz. Es war dämmerig in der Dorfkirche. Die Madonna war eine Kostbarkeit.
    Plötzlich flog plötzlich die Kirchentür auf und ein junger Bursche mit einem Motorradhelm auf dem Kopf und einer Pistole in der Hand stürzte herein.
    »Mein Sohn!«, donnerte Lohmann. »Dies ist ein Haus Gottes! Und der Herr gewährt zwar Sündern Schutz, aber nicht Bankräubern Unterschlupf.«
    Der Junge erstarrte. Lohmann erkannte blondes Haar hinterm Visier des Helms.
    »Man fahndet nach dir«, sagte Lohmann. »Ein Mann auf einem Motorrad. Bewaffnet.« Lohmann deutete auf die Tasche, die der Junge dabeihatte. »Wie viel? Im Radio war von 30.000 Euro die Rede.«
    Der Blonde bewegte aufmerksam lauschend den Kopf, weil oben auf der Orgelempore etwas geknackt hatte.
    »Sicher gibt es einen Ausweg für dich«, meinte Lohmann.
    »Ruhe!« Die Pistole zuckte in die Höhe.
    »Ich wollte dir nur klar machen, dass du in dein Unglück rennst!«, sagte Lohmann.
    »Wirklich rührend, wie Sie sich um mein Wohlergehen sorgen, Pater«, sagte der Junge.
    »Sollten wir alle uns nicht um unseren Nächsten kümmern?«, fragte Lohmann. »Vielleicht kann ich etwas arrangieren, damit du dir mit dieser... Dummheit nicht dein ganzes Leben zerstörst! Es war doch da erste Mal, dass du...«
    »Ja.« Die Stimme des Blonden war leise. »Es sind die Schulden, verstehen Sie? Mit 18 geheiratet, die Wohnung auf Kredit eingerichtet.«
    Lohmann nickte.
    »Und dann kippte auf einmal alles um«, fuhr der Blonde fort. »Erst dauernd Streit, dann die Scheidung. Das kostet alles Geld, und die alten Raten waren auch noch da …«
    »Wenn ich dir helfen kann, werde ich es tun«, sagte Lohmann ruhig. »Ich könnte deine Beute bei der Bank zurückgeben und sagen, ich hätte sie in der Kirche gefunden.«
    Der Blonde schwieg. Lohmann glaubte ein Schluchzen unterm Motorradhelm zu hören. Behutsam nahm er ihm die Waffe aus der Hand.
    »Gut so!«, sagte Lohmann. »Ein Dummer-Jungen-Streich, wird es heißen. Das verzeiht man leichter als einen Überfall.« Er kontrollierte die Pistole. Eine Schreckschusswaffe. Ehe er noch etwas sagen konnte, war der Blonde aufgesprungen und rannte aus der Kirche. Die Tasche mit dem Geld blieb zurück.
    Hinter Lohmann applaudierte jemand.Der Priester kam von der Empore herunter.
    »An dir ist ja wirklich ein Pastor verloren gegangen, Freundchen«, sagte er zu Lohmann. »Ich habe da oben auf der Lauer gelegen, weil in letzter Zeit hier ein Madonnenräuber die Dorfkirchen heimsucht …«
    Lohmann sah wehmütig zu der Madonna. Dann reichte er dem Priester die Geldtasche. »Sie haben ja gehört, was ich versprochen habe«, sagte er. »Erledigen Sie es für mich?«

  



H.P. Karr lebt im Ruhrgebiet. Er veröffentlichte zahllose Stories und rund ein Dutzend Thriller, darunter - gemeinsam mit Walter Wehner - die »Gonzo«-Romane, von denen »Rattensommer« 1996 als bester Krimi das Jahres mit dem Friedrich Glauser-Preis ausgezeichnet wurde. 
www.hpkarr.de





Koehler ist ein Medienprofi. Er ist Berater, Spindoctor, Ghostwriter, PR-Hure. Was er nicht hinkriegt, kriegt keiner hin. Egal ob es die Promotion für den Bestseller eines Serienräubers ist, das Drehbuch für die Jubiläums-Episode einer Seifenoper oder die dreckige Vergangenheit des neuen Teenie-Stars. Wenn Koehler ins Spiel kommt, lösen sich Probleme mit widerspenstigen Schauspielern, karrieregeilen Journalisten oder publicitysüchtigen Showstars in Luft auf. Egal, wer dabei auf der Strecke bleibt.
Wer Koehler mag, braucht Jack Reacher nicht.


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23 mörderische Geschichten aus Kirche und Unterwelt
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