28.8.17

Krimi-Archiv: Ein Mann sieht rot

Brian Garfield:
Der Vigilant oder Ein Mann sieht rot

(Death Wish, 1972)

 

Brian Garfield:
Der Vigilant oder Ein Mann sieht rot
(Death Wish, 1972)
Non Stop-Verlag 1973
Deutsch von Heinz Nagel
»Death Wish« ist die Geschichte des New Yorker Steuerberaters (im Film: Architekten) Paul Kersey, der zum Vigilanten in der U-Bahn wird, nachdem seine Frau bei einem Einbruch getötet wurde und seine Tochter so schwer misshandelt, dass sie ins Koma fiel.
Frustriert vom ausbleibenden Erfolg der Polizeiermittlungen und getrieben von Rachegedanken wendet Kersey seine Wut gegen Straßenkriminelle, die er bei seinen nächtlichen Streifzügen durch die Stadt tötet. Am Ende steht Paul einem Polizisten gegenüber, der genau gesehen hat, was er tat, und »wartete, dass der Polizist seine Waffe zog. Er kam gar nicht auf den Gedanken, den Polizisten zu erschießen, obwohl er die Waffe in der Hand hielt; man erschoss keine Polizisten, man tat das einfach nicht. Der Polizist griff im Licht der Straßenlampe an seinen Kopf, nahm die Mütze ab und hielt sie in der rechten Hand. Dann wandte ihm der Polizist langsam den Rücken zu und stand da, ohne sich zu bewegen. Paul brauchte lange, um in sich aufzunehmen, was der Polizist damit meinte.«


Brian Garfield: Ein Mann sieht rot
(Death Wish, 1972)
Ullstein 1993, Taschenbuch 23039
Deutsch von Heinz Nagel
Regisseur Michael Winner verfilmte Garfields Roman 1974 mit Charles Bronson in der Rolle des wortkargen Protagonisten Paul Kersey. Der Erfolg von "Death Wish" (dt: Ein Mann sieht rot") löste nicht nur eine gesellschaftlich-politische Diskussion um Selbstjustiz aus (einschließlich Spiegel Top-Story in Heft 47/74 und Romanabdruck in der BILD ("Der spannendste Krimi, den "Bild" je brachte")), sondern zog auch bis 1993 insgesamt vier Film-Sequels – stets mit Charles Bronson als Paul Kersey - nach sich.
Aktuell überlegt sich Bruce Willis, ob er ein Remake von "Death Wish" machen soll. In welcher Rolle ist natürlich klar.

Unbekannte Einbrecher haben Frau und Tochter des New Yorker Angestellten Paul R. Kersey in der Wohnung überfallen und brutal zusammengeschlagen. Seine Frau Joanna stirbt, das Leben seiner Tochter Carol ist nur noch ein Dahinvegetieren ohne Erinnerung und Gefühl. Die Polizei kommt mit ihren Ermittlungen nicht weiter. Da beschließt Kersey zu handeln: Er wird zum Rächer auf eigene Faust.
Brian Garfields Roman, der mit Charles Bronson in der Hauptrolle zu einem Filmereignis wurde, löste eine weltweite Diskussion über Do-it-yourself—Justiz aus.

DER AUTOR:
Brian Garfield, 1939 in New York geboren, ist einer der prominentesten amerikanischen Thriller-Autoren und Träger des Edgar Allan Poe Award, des »Oscars« für Kriminalromane.

Brian Garfield:
Der Vigilant oder Ein Mann sieht rot
(Death Wish, 1972)
Non Stop-Verlag 1973
Deutsch von Heinz Nagel
Später legte er es sich zurecht, wo er zu der Zeit des Überfalls auf Joanna und Carol gewesen war.
Es mußte ein paar Minuten nach dem Mittagessen gewesen sein. Es war ein feuchtfröhliches Beisammensein mit den Kunden gewesen, und Paul hatte die Wirkung der Martinis gespürt. Er war etwas schwankend mit Sam Kreutzer hinausgegangen, und sie hatten sich an der Fünfundfünfzigsten Straße ein Taxi geschnappt.
Als sie die Seventh Avenue hinunterfuhren, waren sie am oberen Times Square im Verkehr steckengeblieben, und Paul erinnerte sich noch, wie er beinahe an den giftigen Qualmschwaden eines Omnibusses erstickt Wäre, der neben dem Taxi zum Stillstand gekommen war. Um die Zeit mußte es passiert sein. DiePolizei hatte  die Zeit des Überfalls auf zwei Uhr vierzig festgelegt. Ein drückend schwüler Mittag. Touristen und Nutten bewegten sich mit leeren Blicken und in verschwitzten lileidern den Gehsteig entlang. An den Straßenecken verkauften Männer in rußigen T—Shirts Spielzeug und Lcdergürtel. Normalerweise konnte man es nicht sehen, wie die vergiftete Luft einem die Lungen angriff, also achtete man nicht darauf; aber die Auspuffgase des Busses brachten Paul zum Husten, und das wiederum trug ihm stechende Kopfschmerzen ein. Das kam von zuviel Gin. Er rieb sich die Augen.

Brian Garfield:
Der Vigilant oder Ein Mann sieht rot
(Death Wish, 1972)
Non Stop-Verlag 1973
später: Ullstein 1993,
Taschenbuch 23039
Deutsch von Heinz Nagel



19.8.17

Krimi der Woche
Großes Geld für einen kleinen Gauner



Großes Geld für einen
kleinen Gauner

 Von Richard Janssen



Eigentlich ist er nur ein gewöhnlicher Taschendieb, doch als sich Hubert die Chance bietet, einen dicken Fisch zu angeln, greift er spontan zu...

Hubert war mit seinen 1,60 Meter im wahrsten Sinn des Wortes nur ein »kleiner Dieb«. Allerdings hatte Hubert das nie als Nachteil empfunden. Im Gegenteil - wenn zum Beispiel einer dieser baumlangen Polizisten oder wendigen Warenhausdetektive hinter ihm herhetzte, dann konnte er sich mit Leichtigkeit durch eine Lücke verdrücken, vor der Normalgewachsene resignieren mussten.
  Dass er in den Kaufhäusern kein gern gesehener Kunde mehr war, machte Hubert nichts aus, seitdem er die großen Verbrauchermärkte am Stadtrand entdeckt hatte.
  In diesen Konsumburgen sprudelte für Hubert eine nie versiegende Geldquelle. Wenn hektische Hausfrauen übervolle Einkaufswagen durch die Gänge schoben oder sich heimwerkende Ehemänner in Baumärkten Holzpaneele zuschneiden ließen, dann griff Hubert zu, entwendete Portmonees und Geldbörsen, Brieftaschen und Kreditkarten.
  An diesem Tag hatte Hubert im »Kauf-Paradies« schon zwei Hausfrauen erfolgreich bestohlen, als ihm auffiel, dass etwas im Gange war.
  Der Geschäftsführer, den Hubert vom Sehen kannte, stand mit einem anderen gut gekleideten Mann vorn an den Kassen hinter einem kleinen Tisch, auf dem etwas lag, was Hubert nicht erkennen konnte, weil es mit einem Tuch zugedeckt war.
  Hubert überlegte nicht lange und schlug den Weg zu den Büros ein. Denn wenn sich die Geschäftsführung im Laden auffielt, so sagte er sich, mussten die Büroräume leer sein.
  Er behielt Recht. Gleich im ersten Büro entdeckte er auf einem verlassenen Schreibtisch einen offenen Briefumschlag, aus dem verheißungsvoll zwei nagelneue 500-Euro-Scheine ragten. Ohne zu zögern griff Hubert zu.
  »Was machen Sie denn hier?«
  Er hatte die Sekretärin nicht hereinkommen hören. Hubert handelte blitzschnell, indem er die überraschte Frau an sich riss und ihr mit einer Hand von Mund zuhielt. Er platzierte sie auf einem Bürostuhl und hatte sie innerhalb von fünf Minuten mit der Telefonschnur gefesselt. Auf den Mund klebte er ihr einen Streifen Paketklebeband.
  »Keine Mätzchen!«, warnte er sie noch, bevor er mit dem Geld in der Tasche das Büro verließ.
  Er hastete an den anderen leeren Büros vorbei bis zu der grauen Stahltür, die zur Laderampe führte.
  Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass sie ausnahmsweise einmal verschlossen war. Kein Ausweg für Hubert. Er musste wohl oder übel durch den Laden.
  Die beiden Fünfhunderter brannten wie Feuer in seiner Brusttasche, als er wieder den Verkaufsraum betrat und sich einen der herumstehenden Drahtwagen griff. Betont gelassen strebte er zwischen Toastbrot und Kaffeesonderangebot den Kassen entgegen.
  Um nicht aufzufallen, lud Hubert ein paar Fischkonserven und verschiedenes Knabberzeug in den Wagen. Mit pochendem Herzen reihte er sich schließlich in die Schlange der zahlungswilligen Kunden ein.
  Der Geschäftsführer und sein Begleiter standen immer noch an ihrem Tischchen am Ausgang. Sie tuschelten jetzt ein wenig aufgeregter als vorhin miteinander und betrachteten immer wieder die wartende Kundschaft.
Doch nicht etwa ein neues Sicherheitssystem? fragte Hubert sich bang. Ihm brach der Schweiß aus. Rasch rekapituliert er, wo man ihm möglicherweise beobachtet haben könnte - doch es fiel ihm nichts ein.
  Er hatte die geklauten Brieftaschen und Geldbörsen sofort geleert und sie hinter irgendwelchen Waren versteckt. Und auch den beiden Fünfhundertern in seiner Brusttasche sah man nicht an, dass sie vor zehn Minuten noch jemand anderem gehört hatten.
  Die Kassiererin rechnete Huberts Einkäufe zusammen. Er bezahlte mit einem Hunderter aus einer der geklauten Brieftaschen und wollte sich gerade erleichtert auf den Weg zum Ausgang machen, als ihm der Geschäftsführer in den Weg trat.
  Hubert spürte, wie man ihm seinen Blumenstrauß in die Arme drückte, dann flammte ein Blitzlicht auf und wie durch eine Watteschicht hörte er, wie der Geschäftsführer zu dem sagte:
»Mein Herr, ich darf Sie als den einmillionsten Kunden unseres »Kauf-Paradieses« begrüßen! Die Geschäftsführung freut sich, dass Sie uns Ihr Vertrauen geschenkt haben und möchte Ihnen als kleine Anerkennung ein Geschenk machen!« Er zog das Tuch vom Tisch und unter den »Ahs« und »Ohs« der Umstehenden kam ein gigantischer Präsentkorb zum Vorschein. Hubert war wie gelähmt.
»Aber..«, begann er.
  »Aber das ist noch nicht alles!«, fuhr der Geschäftsführer fort. »Denn außer diesem Korb bekommen Sie noch eintausend Euro - zwei nagelneue Fünfhundert-Euro-Scheine - für die Sie hier im Kauf-Paradies nach Lust und Laune einkaufen können.« Er wandte sich an seinen Begleiter und sagte leise: »Seien Sie doch so nett, Herr Breuer und holen Sie den Geldpreis aus meinem Büro. Das Kuvert liegt auf dem Schreibtisch … oh … da, sehen Sie, unser Jubiläumskunde ist wohl vor lauter Freude ohnmächtig geworden.«
 

 ENDE 





© beim Autor / Jahn facts&fiction
Richard Janssen:
Großes Geld für einen kleinen Gauner,

erschien in der Zeitschrift
»Neue Welt«, Düsseldorf, Heft 9/2010

15.8.17

Mord nach Rezept Band 9

Mord nach Rezept - Band 9

Zwei Dutzend neue Kurzkrimis von Könnern

Zwei Dutzend Stories rund um Mord und Totschlag, Betrug und Diebstahl, Ehebruch und Unterschlagung. Regionalkrimis vom Feinsten, mal heiter, mal packend, mal clever verrätselt. Tatorte in Mannheim, Stuttgart, Wuppertal, Düsseldorf, der Lüneburger Heide und dem Allgäu, aber auch in der Bretagne, St. Moritz oder am Yukon in Kanada. Alles in allem: mörderisch gute Unterhaltung, präsentiert von Krimi-Kenner H.P. Karr. Mord nach Rezept – Kurzkrimis von Könnern. Zum Beispiel…

Ralph Petersen: Mörder können nicht an alles denken

Tatort: Wuppertal

Dunkle Wolken hingen über dem Tal. Die Wagen der weltberühmten Wuppertaler Schwebebahn rollten gemächlich über den Fluss. Die Luft schien wie elektrisch geladen, und Hauptkommissar Koester ahnte, dass das Unwetter, das aus dem Bergischen hereinzog, bald losbrechen würde. Aber das war bestimmt nicht der Grund, warum Gero Brenner so nervös war.

Ria Richartz: Bis dass der Tod uns scheidet

Tatort: Allgäu

Es dämmerte schon, als Ralph Schneider an dem Landhaus ankam. Die Steine, Büsche und das Gras strahlten noch die Wärme des Tages aus. Die Luft roch nach Salbei und Minze. Das Haus lag etwas versteckt am Rand eines Wäldchens, weit abseits der Landstraße und ganz in der Nähe des Sees, den die Leute hier den »schwarzen See« nannten. Es war gefährlich, dort zu baden. Strömungen hatten schon manchen in die Tiefe gezogen.

H. P. Karr: Nichts zu danken

Tatort: Hamburg

Henry spielte gerade einen der alten Evergreens auf dem Klavier, als er spürte, wie sich die Atmosphäre in Daniels Klub veränderte. Und dann sah er Romy, die sich durch die schweren Samtportieren in das Lokal geschoben hatte. Sie war noch genauso schön wie damals, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte – auf dem Gang des Hamburger Familiengerichtes, kurz bevor ihre Ehe geschieden worden war.

Charlie MacGuffin: Mord wirft dunkle Schatten

Tatort: Bretagne

Sharon hatte ihm nie ihre Träume erzählt, deshalb wunderte Carlo sich, als sie eines Morgens sagte: »Ich habe von Robert geträumt. Er ist mit seinem schwarzen Sportwagen durch die Bretagne gefahren, und ich war bei ihm, auf dem Beifahrersitz. Du kennst die Strecke, von La Fresnais nach Vivier-sur-Mer. Die Straße führt in einem weiten Bogen über eine Hügelkette. Auf der Gefällstrecke hat Robert die Gewalt über den Wagen verloren ... Ich habe ihn schreien gehört. Er schrie vor Angst, bevor er starb….«



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2.8.17

Volker Kutscher
Märzgefallene



Alberichs Gold
Berlin, im Februar1933. Der fünfte Fall des Berliner Kommissars Gereon Rath spielt vor dem Hintergrund des Reichstagsbrandes und der Machtergreifung der Nationalsozialisten.
Ein Toter liegt unter der S-Bahn-Brücke am Nollendorfplatz – laut Papieren Heinrich Wosniak, obdachloser Weltkrieg I-Veteran, früher Bursche des Leutnants Achim Graf von Roddeck. Der war an der legendären "Operation Alberich" beteiligt –  dem Befehl, beim Rückzug aus Frankreich nur verbrannte Erde zu hinterlassen.
Jetzt veröffentlicht Roddeck seine Kriegserlebnisse – darunter auch den Bericht, wie sein Kamerad Bejamin Engel sich im Rahmen von "Alberich" einen riesigen Goldschatz angeeignet hat. Und nun scheint jemand in Berlin  alle Mitwisser des Kriegsverbrechens zu töten.
Volker Kutscher ist ein Meister beim Verweben des historischen Hintergrundes mit packenden Kriminalgeschichten. Die Gereon Rath-Reihe wird auch mit diesem fünften Band "Märzgefallene" noch ein Stückchen besser.  rja
Krimi in Perfektion (fünf Sterne)
Volker Kutscher:
Märzgefallene
KiWi, 608 Seiten,