29.4.17

Aus dem Krimi-Archiv: Autoren mit Brillen

Aus dem Krimi-Archiv, Abteilung Autoren mit Brillen:
John White: Keine Zeit zu sterben
Hamburg, Kelter krimi791, 1969

Die Taschenbuch-Reihe des Kelter-Verlag in den ersten siebziger Jahren ist voll von solchen Autorenfotos und teilweise offensichtlich aufgepimpten Autorenbiographien. Wenn es "John White" wirklich gegeben hat (was wir nicht per se bezweifeln wollen), dann könnte vielleicht eher so wie sein Kollege "Hasso Hecht" (siehe weitere Bilder) eine Vergangenheit oder Hauptexistenz aus Heftromanautor gehabt haben. Immerhin war/ist Kelter einer der größten Heftromanverlage in Deutschland und in derTaschenbuchreihe wurden recht erratisch Titel der Hausautoren und Buchausgaben von Illustriertenromanen veröffentlicht.

Die "Filmvergangenheit" von John White, auf die die Autorenbio so großen Wert legt, könnte aber auch "nur" dem Romaninhalt geschuldet sein - es geht um einen großmäuligen Ich-Erzähler-Helden in der Lemmy Caution-Tradition, der in Cinecitta in eine Mordintrige gerät.
John White,
geboren in Polen, ist nach vorangegangenem siebenjährigem Aufenthalt in Spanien heute in Rom ansässig. Viele ausgedehnte Reisen führten ihn nach Portugal, in die Türkei, nach Rumänien, Griechenland und Nordafrika. Sie vermittelten ihm eine Fülle von Erlebnissen und Eindrücken. Nachdem er lange Jahre als Journalist und Zeichner gearbeitet hat, ist er heute vorwiegend als Drehbuchautor und Schauspieler tätig. Seine Erzählungen und Kurzgeschichten erschienen in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften in mehreren Sprachen. Die Kriminalromane, abwechslungsreich und flott geschrieben, sind voller unerwarteter Überrascchungen und Situationen. Neben den Schauplätzen der internationalen Filmstädte spiegeln sie vorwiegend das "Filmische" - das Leben beim Film, den Hintergrund, seine Menschen und Charaktere.




Hasso Hecht: Die Katze lässt das Morden nicht
Hamburg: Kelter krimi823, 1972


"Hasso Hecht", eigentlich Hasso Plötze (*1921 in Hannover), hieß auch bei Bedarf "Jens Falkenhain" oder "Bob Hay", bzw auch ,  wenn er Western schrieb, "Frank Wells" oder "Kig Colt". (Man beachte die semantische und phonetische Spielerei: Hecht - Plötze - Hay - Wells)
 








Hasso Plötze studierte in Kiel Germanistik, Geschichte und Psychologie und arbeitete anschließend als Journalist und freier Schriftsteller. Er schrieb in den 50-Jahren eine Reihe von Leihbüchern mit dem Serienhelden "Rocky Maxim", einem FBI-Agenten und verfasste später auch Western und andere Genre-Romane. In den sechziger Jahren arbeitete an der Roman-Reihe "Jerry Cotton" des Bastei-Verlages und der Reihe "Kommissar X" des Pabel-Verlages mit, für die er jeweils Romanhefte und Taschenbücher verfasste.

Plötze schrieb außerdem eine Reihe von Arzt- und Liebesromanen und entwickelte in der Arztromanreihe DIAGNOSE des Bastei-Verlages unter dem Pseudonym "Jens Falkenhain" in den siebziger Jahren die Figur des "Polizeiarztes Dr. Jeff Brent" aus Morro Bay City, Kalifornien. Die Fälle des Dr. Brent sind immer kriminalistisch aufgebaut und so erschienen Neuausgaben der meisten Jeff Brent-Romane später unter dem Autorennamen "Hasso Plötze" auch in der Reihe der Roten Krimis des Goldmann Verlages.

Darüberhinaus hatte Plötze unter dem Pseudonym "Hasso Hecht" bereits in den siebziger Jahren Kriminalromane mit deutschem Ambiente beim Hamburger Kelter-Verlag veröffentlicht, die später teilweise ebenfalls in der Goldmann-Reihe neu erschienen.

27.4.17

Krimi der Woche: Das Leck im Rathaus



(C) Alle Rechte vorbehalten

Das Leck im Rathaus

Von H.P. Karr

Diskretion! Privatermittler Harry Lux hat das Wort in den letzten zehn Minuten mindestens zwanzig Mal von dem Fraktionschef der Mehrheitspartei gehört.
Grund für all die Diskretion, mit der man die Privatdetektei Lux engagiert hat, ist eine Akte mit 25 Fotokopien, die der Fraktionschef vor sich liegen hat. Die lokalpolitische Strategie der Mehrheitsfraktion - Stadionausbau, Innenstadtsanierung, Gewerbeansiedlung.
»Gestern, am Montag, haben wir uns im engsten Kreis über dieses Strategiepapier abgestimmt«, sagt der Fraktionsvorsitzende. »Die Sitzung fand hier in meinem Büro statt, von 10 bis 12 Uhr.« Er tippt auf die Notizen am Rand, die auf den Kopien mitkopiert sind. »Diese Notizen habe ich dabei auf meine Vorlage geschrieben, die ich leider offen liegen ließ, als ich zu Tisch ging. Ich kam um 16.30 Uhr zurück ins Büro und fand alles unverändert. Doch dann steckt heute Morgen diese Fotokopie der kompletten Vorlage im Briefkasten des Tageblatts.« Er senkt die Stimme. »Zum Glück steht der Lokalchef unserer Partei nahe und hat mich sofort informiert.«
Harry Lux sieht die Kopien durch. »Da sind Schmierspuren des Kopierers auf den Blättern.«
»Eben!«, meint der Fraktionschef. »Genau solche Spuren hinterlässt einer der Fotokopierer hier im Fraktionsbüro. Sie begreifen, was das heißt?«
Die diskreten Ermittlungen von Harry Lux ergeben, dass nur zwei Personen aus dem Fraktionsbüro die Akte kopiert haben können: Susanne Kleinschmitt, die Sekretärin, und Reinhold Meyerbeer, ein Student, der sein Praktikum in der Fraktion macht. Der Zähler des Kopierers, auf dem die Akte kopiert wurde, zeigt an, dass gestern mit Meyerbeers Kopierkarte um 14.30 Uhr sieben und um 16.23 Uhr 28 Kopien gemacht worden sind. Die Kopierkarte von Susanne Kleinschmitt ist um 10.45 Uhr für 50 Fotokopien benutzt worden, und um 14.33 Uhr für weitere 18 Kopien.
»Damit«, meint Harry Lux zum Fraktionschef, »wäre wohl klar, dass Ihr Praktikant das Leck in der Fraktion ist.«
»Meyerbeer? Aber wieso denn?«
»Aus Gründen der Logik!«, sagt Harry Lux. »Der Täter konnte die Akte erst nach Schluss der Sitzung um 12 Uhr von Ihrem Schreibtisch entwenden. Nach 12 Uhr kopierte aber Susanne Kleinschmitt nur 18 Blätter auf dem fraglichen Gerät – doch das Strategiepapier umfasst ja 25 Seiten. Aber Meyerbeer kopierte um 16.23 Uhr 28 Blatt. Damit ...«
»... ist alles klar«, murmelt der Fraktionschef. »Bitte behandeln Sie Ihre Erkenntnisse vertraulich, ja? Der Herr Meyerbeer ist nämlich der Neffe unseres Ministerpräsidenten. Da muss man ...«
»Diskretion wahren!«, nickt Harry Lux.

© beim Auto r/ Badische neueste Nachrichten 5/2015
Weiterverbreitung nur mit ausdrücklicher Genehmigung.



Mehr Krimis in:
H.P. Karr präsentiert:
Mord nach Rezept – Band 6:
In zwei Dutzend Kurzkrimis quer durch Deutschland























20.4.17

Ron Goulart: Die Panchronicon-Verschwörung

Aus der hintersten Ecke des Krimi-Archivs:
Ron Goulart: Die Panchronicon-Verschwörung
(The Panchronicon-Plot, 1977)
Deutsch von Norbert Stresau
Ullstein SF 31156, 1978

Jake Conger, der Unsichtbare, wird von der Abteilung für Spezialtalente gebeten, den Beweis anzutreten, daß der Präsident der Vereinigten Staaten nicht nur völlig ausgerastet ist, sondern sich seiner Gegner entledigt, indem er sie per Zeitmaschine in die verschiedensten Perioden der irdischen Vergangenheit »verbannt«.Gibt es eine bessere Methode, sich seiner politischen Widersacher zu entledigen, als sie per Zeitmaschine in die Vergangenheit zu schicken? Von Mord kann dabei ja nicht unbedingt die Rede sein — doch vielleicht gerät der Lauf der Geschichte ein wenig durcheinander? _
Bei der Aufklärung des Falles findet Conger sich unverhofft in einem absurden Alptraum wieder: Das alte Wien, der Wilde Westen und die moderne Neuzeit des 21. ]ahrhunderts sind die exotischen Schauplätze dieser satirischen Tour de Force, die nur ein Humorist wie Ron Goulart schreiben kann!



Ron Goulart (*1933) – alias Chad Calhoun, R.T. Edwards, Ian R, Jamieson, Josephine Kains, Jillian Kearny, Howard Lee, Zeke Masters, Frank S. Shawn, Joseph Silva – kann man getrost als Multi-Talent mit zahlreichen Interessen bezeichnen. Er war Mit-Autor von Comic-Serials ("Phantom", "Vampirella" etc), schrieb Sachbücher über Pulps, Movie-Tie-Ins ("Unternehmen Capricorn" 1978), Romance, parodistische Science Fiction, sowie – natürlich – Kriminalromane. Dazu erweckte der Groucho Marx wieder zum Leben – mit "Groucho Marx, Master Detective" (1998, deutsch 2010 als "Groucho Marx, Meisterdetektiv" bei Ed Phantastica) begann er einer Serie um die detektivischen Abenteuer des Marx-Bruders. Die anderen Bände der Serie scheinen nicht auf deutsch erschienen zu sein.
Mehr zu Ron Goulart auf  phantastik-couch.de



10.4.17

Krimi der Woche: Die Miete im Keller


Die Miete im Keller

Von Meike Doppler

Marion Brenner mischte gerade den Salat, als ihr Mann aus dem Garten kam. »Wir bekommen Besuch!«
Durch Küchenfenster sahen sie den Streifenwagen der Waldroder Polizei vorm Haus stoppen.
»Hallo, Sheriff!«, begrüßte Walter den Ortspolizisten Bruno Kempkes. »Marion kocht gerade. Willst du mit uns essen?«
»Ich bin dienstlich hier!«, erklärte Kempkes. »Der Fall Schering - ihr habt davon gehört?«
»Wer hat das nicht!«, sagte Walter. Fred Schering, Viehbaron der Region, war seit drei Tagen verschwunden. Die letzte Spur von ihm war sein zerbeulter Luxuswagen im Straßengraben der Ortsumfahrt Waldrode.
»Heute morgen ist eine Lösegeldforderung eingegangen«, sagte der Polizist. »Die Kidnapper haben sich an den Geschäftsführer seines Mastbetriebes gewandt. Eine halbe Million Euro. Kleine Scheine, und so weiter. Übergabe soll heute Abend in Birkengrund sein. Das liegt ja gleich bei euch nebenan. Deshalb wollte ich fragen, ob ihr etwas Auffälliges bemerkt habt.«
»Haben wir?« Marion sah Walter an. 
»Haben wir nicht«, sagte Walter. »Der Birkengrund und alles drumherum gehört Schering. Auch unser Haus. Womöglich kennen sich die Kidnapper hier aus.«
Marion gab Dressing über den Salat. »Wollt ihr den Kidnappern bei der Geldübergabe eine Falle stellen?«
Polizeihauptmeister Kempkes schnaufte verächtlich. »Das haben uns die Superbullen vom LKA verboten, die wir einschalten mussten. Damit würden wir angeblich Scherings Leben gefährden.«
»Also keine Falle?«
»Leider nicht«, sagte Kempkes und tippte sich an die Dienstmütze. »Ich muss weiter. Guten Appetit noch!«
Marion und Walter warteten, bis Kempkes mit seinem Polizeiwagen in Richtung Birkengrund fortgefahren war. »Ob er etwas bemerkt hat?«, fragte Marion.
»Was soll er bemerkt haben?« Walter legte seinen Arm um ihre Schulter. »Er wollte nur sein Herz ausschütten, weil diese LKA-Leute ihm den Fall abgenommen haben.«
»So haben wir allerdings erfahren, dass es bei der Geldübergabe keine Falle geben wird!« Marion musste lächeln. »Wenn der gute Kempkes wüsste, wie sehr er uns mit diesem Tipp geholfen hat. Morgen sind wir um eine halbe Million Euro reicher!«
Walter Brenner hatte den Viehbaron vor drei Tagen im Morgengrauen stockbetrunken und schlafend in seinem verunglückten Luxuswagen gefunden, ihm kurzerhand einen Jutebeutel über den Kopf gestülpt und ihn mitgenommen. Seitdem hockte Schering unten im Keller. »Mit der halben Million können wir unsere Mietrückstände für das Haus bei ihm bezahlen«, sagte Marion zufrieden. »Und vielleicht reicht der Rest dann noch, um ihm später das Haus hier abzukaufen.«

Titel: Die Miete im Keller
Autor: Meike Doppler

© beim Autor/Jahn facts&fiction
Veröffentlicht in: Badische Neueste Nachrichten,
Ausgabe 14/2017 vom 8.4.2017

3.4.17

Britta Bolt:
Das Büro der einsamen Toten

Gut zu wissen – wenn man in Amsterdam anonym stirbt, sind da Pieter Posthumus und seine beiden Kollegen vom Amt für Katastrophenschutz und Bestattungen, die sich um einen kümmern. Nach Angehörigen suchen oder ein anonymes Begräbnis auf Staatskosten arrangieren.
Die Zentrale von Pieters Leben ist weniger das Büro sondern die In-Kneipe De Dolle Hond, die seine Fast-Freundin Anna betreibt.
Pieter ist eher ein Grübler, einer, der die Toten ernst nimmt, um die er sich kümmert. Wie etwa den Selbstmörder, der ein Heft mit sehr seltsamen Gedichten hinterlassen hat. Oder eben den Toten, der stundenlang durch die Grachten getrieben ist, ehe angeschwemmt wurde. Ein junger Marokkaner im traditionellen Gewand. Wir Leser wissen bald mehr über die Herkunft des Jungen, sein Umfeld in der Migranten-Szene. Und über die Staatsschutzaktion, die von allen fast unbemerkt abläuft, getrieben von einem ehrgeizigen Beamten, der auf Gedeih und Verderb eine geplante Terror-Aktion sehen will…

Neben den sehr differenziert gezeichneten Figuren spielt Amsterdam die zweite Hauptrolle in diesem Buch – das man wegen der vielen liebevollen Beschreibungen der Stadt wahrscheinlich sogar streckenweise als Reiseführer benutzen könnte.
Britta Bolt ist das Autorenduo Britta Böhler und Rodney Bolt. Er ein Reisejournalist mit südafrikanischen Wurzeln, sie Juristin aus Freiburg und jetzt Rechtsprofessorin in den Niederlanden.
(Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung)
Britta Bolt
Das Büro der einsamen Toten
Hoffmann und Campe


2.4.17

Jussi Adler-Olsen: Verheissung

Der sechste Fall für Carl Moerk und sein Team - Einsatz auf Bornholm: dort hat sich Polizeikommissar Christian Habersaat beis einer Verabscheidung in den Ruhestand erschossen. Als Appell will er die tat verstehen, dass Moerk und sein Dezernat sich um die Aufklörung eines Falles kümmenr, an dme er in den letzten siebzehn Jahren vergeblich recherchiert hat. Eine junge Frau ist seinerzeit auf bizarre Art und Weise ums Leben gekommen – bei einem Unafll mit Fahrerflucht. Oder war es doch Mord?
Mork und sein Kollege Assad geraten bei ihren Ermittlungen die Szene  der Späthippies, die seinerzeit auf Bornholm lebten. Unter ihnen ein charismatischer junger Mann, mit dme die Tote zusammenwar. Doch die Spur des Mannes ist schwer aufzunehmen – nur wir ahnen, dass es sich bei ihm möglicherweise um den selbsternannten Sonnen-und Lichtguru handelt, von dem in einem zweiten Handlungsstrang erzählt wird. Und von der mörderischen Liebe seiner engsten Vertrauten.

Jussi Adler-Olsen lässt sich Zeit, erzählt opulent bis ausufernd, wie die beiden Geschichten sich langsam aufeinander zubewegen. Das ist gute Krimi-Unterhaltung auf hohem handwerklichen Niveau, stets interessant, gelegentlich voller Humor und vor allem immer spannend durch seine interessanten Ermittlerfiguren.
(Reinhard Jahn WDR5 Mordsberatung)

Jussi Adler-Olsen
Verheissung
dtv

1.4.17

Der perfekte Einstieg oder: drei tolle Krimi-Anfänge


Agatha Christie (1890 bis 1976)
16 Uhr 50 ab Paddington

Keuchend folgte Mrs. McGillicuddy dem Gepäckträger, der ihren Koffer über den Bahnsteig trug. Mrs. McGillicuddy war klein und beleibt, der Gepäckträger war groß und machte weit ausgreifende Schritte. Mrs. McGillicuddy war zudem mit etlichen Paketen beladen, den Früchten der Weihnachtseinkäufe eines ganzen Tages. Es war daher ein ungleiches Rennen, und der Gepäckträger verschwand schon um die Ecke am Ende des Bahnsteigs, als Mrs. McGillicuddy noch die Gerade entlang hastete.


4.50 FROM PADDINGTON
© 1957 Agatha Christie Limited, a Chorion Company.
16 Uhr 50 ab Paddington
Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach
© 2000 Scherz Verlag, Bern, München, Wien
für die Neuausgabe in der Übersetzung von Ulrich Blumenbach




John le Carré (geb 1931)
Der Spion, der aus der Kälte kam

Der Amerikaner reichte Leamas noch eine Tasse Kaffee und sagte: » arum gehen Sie nicht heim und legen sich schlafen? Wir können Sie anrufen, wenn er auftaucht.«
Leamas sagte nichts, er starrte durch das Fenster der Kontrollbaracke die leere Straße hinunter.
»Sie können nicht ewig warten, Sir. Vielleicht kommt er zu einem anderen Zeitpunkt. Wir könnten die Polizei bitten, die Dienststelle anzurufen. Sie wären innerhalb von zwanzig Minuten wieder hier.«
»Nein«, sagte Leamas, »es ist jetzt fast dunkel.«
»Aber Sie können nicht ewig warten. Er ist jetzt schon neun Stunden überfällig.«
»Wenn Sie wollen, gehen Sie.« Leamas fügte hinzu: »Sie sind sehr hilfsbereit gewesen. Ich werde sagen, daß Sie verdammt anständig waren.«
»Aber wie lange wollen Sie warten?«
»Bis er kommt.« Leamas ging zum Beobachtungsfenster und stellte sich zwischen die zwei bewegungslosen Polizisten. Ihre Feldstecher waren auf den ostzonalen Kontrollpunkt gerichtet.

© 1964 by Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m. b. H., Wien
© der deutschen Übersetzung Paul Zsolnay Verlag Gesellschaft m. b. H., Wien 1964



Raymond Chandler (1888 bis 1959)
Der große Schlaf


Es war gegen elf Uhr morgens, Mitte Oktober, ein Tag ohne Sonne und mit klarer Sicht auf die Vorberge, was klatschkalten Regen verhieß. Ich trug meinen kobaltblauen Anzug mit dunkelblauem Hemd, Schlips und Brusttaschentuch, schwarze Sportschuhe und schwarze Wollsocken mit dunkelblauem Muster. Ich war scharf rasiert, sauber und nüchtern - egal nun, ob´s einer merkte. Ich war haargenau das Bild vom gutgekleideten Privatdetektiv. Ich wurde von vier Millionen Dollar erwartet.


Raymond Chandler ›The Big Sleep‹
Copyright © 1939 by Helga Greene Literary Agency
Der große Schlaf
Neu übersetzt von  Gunar Ortlepp
Copyright © 1974 Diogenes Verlag AG Zürich


Sophie Hannah: Die Monogramm-Morde


Hercule Poirot ist tot – die Fans des kleinen belgischen Meisterdetektivs wissen das: er starb in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts in dem Roman "Vorhang"  (Curtain), den Agatha Christie bereits zur Zeit ihrer größten Erfolge "auf Vorrat" geschrieben hatte.
Deshalb hat  Sophie Hannah  "Die Monogramm-Morde", in denen sie Poirot mit Erlaubnis der Christie-Erben wieder aufleben lässt., ins London des Jahres 1929 versetzt. Poirot hat sich eine Auszeit genommen und sich in die Pension von Mrs Blanche Unsworth zurückgezogen, wo er sich mit Inspektor Edward Catchpool von Scotland Yard angefreundet hat. Der muss einen ebenso mysteriösen wie grausamen Fall bearbeiten: Drei Tote in einer Nacht im Bloxham Hotel, zwei Frauen und ein Mann, alle aufgefunden wie aufgebahrt, und jeder  mit einem Manschettenknopf im Mund, auf dem die Initialen P-I-J stehen. Ein Fall, der Poirot sofort interessiert, weil er glaubt, das seine Begegnung mit einer verstörten jungen Frau in einem Coffee House damit in Verbindung steht. Und er stellt aufgrund der Tatsache, dass jeder der drei Toten im Hotel einen Manschettenknopf im Mund hatte, die einzig logische Frage: Wo ist der vierte Manschettenknopf?
Intelligenter Lesestoff für die kleinen grauen Zellen eines jeden Krimifans.
Reinhard Jahn, WDR5 Mordsberatung

Sophie Hannah:
Die Monogramm-Morde
Hoffmann und Campe