25.8.11

Marcus C. Schulte von Drach
Der Parasit

 
Ein grauenhafter Mord in München, im Englischen Garten. Eine junge Frau wurde überfallen, vergewaltigt, brutal getötet - totgebissen, wie es aussieht, wie von einem Tier. Und noch ein Mord ihn ähnliche Ausführung. Und schließlich, als die Mordkommission mit den Beamten Bauer und Born auch die letzte Spur in den beiden höchst mysteriösen Fallen ausermittelt hat - weitere, ähnlich Morde. In Schottland. Auf Hawaii. In Wichita, USA.

Was steckt dahinter? Die schlimmste Befürchtung der beiden Münchener Kommissare und auch ihrer Kollegin in Hawaii und den USA ist: ein Serienmörder auf Reisen. Aber dann zeigt der DNA-Vergleich der Spuren an den verschiedenen Opfern: es sind verschiedene Täter. Doch wie kann das gehen - bei der absolut identischen Tatausführung. Noch dazu, wo in den USA der Täter/einer der Täter ? bei einem Überfall von einer Polizistin erschossen wird und die Verbrechen plötzlich in München weitergehen.

Das alles hat - wir ahnen es sei dem Prolog des Romans - etwas mit den schrecklichen Erlebnissen ein er Expedition in Afrika zu tun , bei der die Teilnehmer auf ein verlassenes Eingebornendorf stießen und dann nacheinander von einem unheimlichen Dschungelwesen getötet worden. Aber wie es genau zusammenhängt - wir können nur spekulieren.
Und das im Rahmen einer sehr gut und spannend erzählten Story, einer Story, für die der Autor, das merkt man, sehr viel in Polizeikreisen recherchiert hat. Sei es der begriff des Serienmordes, sei es die verschiedenen Arten und Profiling und die Glaubenskämpfe, die sie miteinander ausfechten), seien die Ermittlungstechniken oder auch mal ein rechtsphilosophischer Exkurs zum Thema Todesstrafe: es wird schnell kalr dass hier über etwas schriebt, über das er sich gut kundig gemacht. Kein Wunder- Markus C. Schulte von Drach ist auch im eigentlich Reporter, Journalist, er hat für die Süddeutsche Zeitung und viele andere große Tageszeitungen gearbeitet.

Marcus C. Schulte von Drach
Der Parasit
Knaur Taschenbuch


Eine frühere Ausgabe erschien unter dem Titel:
Der fremde Wille
bei
Kiepenheuer und Witsch

23.8.11

Schreib! Das! Auf!
Journalisten als Krimi-Autoren

Reporter als Krimi-Autoren
Factsheet  von Reinhard Jahn

Telefonische Mordsberatung auf WDR5
27.8.2011 21:05 - 23:00
Redaktion: Stephanie Berling /Petra Brandl-Kirsch
Moderation: Thomas Hackenberg

Wer?
Es gibt unter den deutschen Krimi-Autoren (auf die wir uns hier jetzt mal konzentrieren) viele mit einer journalistischen Vorbelastung oder einem journalistischen Hintergrund.
Die bekanntesten dürften sein:
Jacques Berndorf alias Michael Preute war in den Siebzigern Krisenreporter für deutsche Illustrierte (Quick, Stern) in vielen Teilen der Welt. Schon damals schrieb er Unterhaltungsromane, die als Fortsetzungsromane (u.a. HörZu, stern etc) erschienen. Aber auch True Crime - wie etwa ein Sachbuch über den Fall Vera Brühne

Ulrich Wickert, (*1947 in Tokio) der ehemalige Monitor-Redakteur und Frankreich-Korrespondent der ARD Tagesschau sowie später der News-Anchor der "tagesthemen" veröffentlichte erst ein paar Textsammlungen bevor er Romane zu schreiben begann: Schauplatz Frankreich, Hauptfigur ist ein französischer Ermittlungsrichter

Horst Eckert, (* 1939 in Weiden) TV-News-Mann (VOX, RTL etc) begann Mitte der Neunziger damit Krimis zu schreiben. Seine Geschichten spielen im Düsseldorfer Polizeimilieu, das er ausführlich ein eingehend recherchiert hat und "beschäftigen" ein großes Ensemble von Personen, deren Schicksale Eckert über bislang fast ein Dutzend Bücher verfolgt.

Jürgen Kehrer, (*1956 in Essen) ehemaliger Szene-Journalist und Herausgeber eines Stadtmagazins aus Münster, begann 1990  mit Krimis und kreierte eine der erfolgreichsten Serien des deutschen Marktes: Die Wilsberg-Romane.


In der Geschichte des deutschen Krimis (also in den Siebzigern und Achtzigern) wird das Genre ebenfalls von Journalisten geprägt.

Friedhelm Werremeier (*1930 in Witten) war einer der besten deutschen Kriminal- und Gerichtsreporter. Er gehörte u.a. zu den ersten die den "Todesstollen" des Jürgen Bartsch betreten durften, später befasste er sich intensiv mit dem Fall Bartsch und veröffentlichte auch Bücher dazu. Mit "Der Fall Heckenrose" enthüllte er den Fall Erwin Hagedorn (1956-1972), der in der DDR unter den Teppich gekehrt worden war: ein homosexueller pädophilier Lustmörder war dort gefasst und heimlich hingerichtet worden.
Werremeier schuf die Figur des Kommissars Trimmel für den Start der TATORT-Reihe im Fernsehen und wertete die Geschichten um den knorrigen Hamburger Mordermittler im Medienverbund auch als Buch aus. Sein Markenzeichen: Knallhart recherchierte Verbrechen, minutiös erzählt. Oftmals hatte Werremeier ein Thema bereits in einem Film oder Roman bearbeitet, wenn es aktuell wurde - wie etwa das "Gutachter-Unwesen" in der deutschen Justiz ("Der Richter in Weiß").

Felix Huby (alias Eberhard Hungerbühler, * 1938 in Dettenhausen) lernte bei der Tagespresse, leitete dann ein Verbrauchermagazin, arbeitete und leitete für den SPIEGEL ein Regionalbüro. Er schuf in den Siebzigern den Stuttgarter "Kommissar Bienzle", der später als TATORT-Figur bekannt wurde. Nachdem er seinen SPIEGEL-Job an den Nagel gehängt hatte, wurde Huby einer der meistbeschäftigten deutschen Fernsehautoren. Seine Spezialität sind lebensnah und menschlich erzählte Geschichten, die ihre Spannung aus den Charakteren und ihrem sozialen Umfeld beziehen. Huby ist im Gegensatz zu den eher "faktisch" orientierten Gerichts- und Polizeireportern ein nachfühlsam und emphatisch arbeitender Autor. Was auch erklärt, warum er mit aktionsorientierten Stoffen (wie etwa "Abenteuer Airport") regelmäßig scheitert. Huby ist einer der drei Väter des Kommissars Horst Schimanski. Sein Schimanski-Pilotbuch war, wie er heute sagt, das erste Drehbuch, das er geschrieben hat.

Michael Molsner, (*1939 in Stuttgart) Gerichts- und Kriminalreporter, der sich intensiv mit dem Fall Peter Hössl beschäftigte (einem jugendlichen Mehrfach-Mörder) und ihn auch in einigen seiner ersten Kriminalromane verarbeitete. Molsner ist der "linkeste" der deutschen Krimiautoren. Zuletzt wurde er bekannt mit einer Reihe von Krimis zum Thema Wirtschaftskriminalität. "Die Euro-Ermittler" und einer Serie um die Sicherheitsmitarbeiter einer Bundesbehörde: "Die Global-Agenten".

und last but not least

Johannes Mario Simmel, (1924 - 2009) war Reporter der QUICK und wurde bekannt durch seine "Tatsachen"-Serien in der Zeitschrift. Als Illustriertenautor war er einer der bekanntesten und auch am besten bezahlten "Edelfedern" seiner Zeit, der bald auch Drehbücher für Kinofilme schrieb. Für seine späteren Unterhaltungsromane / Krimis, recherchierte er stets eingehend  und benutzte dazu viele seiner Vertrauenspersonen aus der Zeit als Journalist.

Wie?
Journalisten schreiben oft gradlinige, meist an der mittelfristigen Aktualität entlang entwickelte Geschichten. Früher nannte man das gern "Themen der Zeit" und die Romane nicht Kriminalroman, sondern "Zeitromane".
Journalisten sind geschult, Zusammenhänge zu recherchieren, zu erfassen und zusammenfassend darzustellen. Aus diesen Fähigkeiten schlugen besonders die Polizei- und Kriminalreporter Kapital. Sie konnten in den Romanen die Arbeit von Polizei und Justiz ausführlich darstellen - wozu in der Kürze der Presse kaum Platz war. Auffällig ist auch, dass fast jeder "schreibende" Kriminalreporter einen "Initial-Fall" hat, einen Kriminalfall, mit dem er sich oft über Jahre hinweg beschäftigte - meist ein Fall, der direkt an einen Täter gebunden ist, den der Journalist oft auch persönlich kennengelernt hat. Etwa: Jürgen Bartsch bei Werremeier oder Peter Hössl bei Molsner. (Bei Berndorf war es Vera Brühne).

Die andere Gruppe der schreibenden Journalisten greift auf ihre Fähigkeiten als Reportage-Autor zurück. Reportage ist ohnehin eine Grenzform zur Literatur: die Erfassung des typischen, des charakteristischen in einem Stück Wirklichkeit, die Schilderung von Umständen und Geschehnissen in unterhaltsamer, emphatischer Form.  Das sind auch Fähigkeiten, die ein  belletristischer Autor haben muss - jedenfalls wenn er etwas anderes als die "Literatur der Innerlichkeit" schreiben wollte, die die siebziger Jahre beherrschte.
Der Krimi wandelte sich in dieser Zeit gerade von der reinen Entertainment-Literatur zur "Reportage-Literatur", man sprach vom "Kriminalroman als Reportage-Roman", was dem "neuen deutschen krimi" sehr zupass kam. Ging es diesem schließlich darum, die Brüche und Verwerfungen in der damaligen BRD-Gesellschaft aufzuzeigen. In der Rückbindung benutzten dann eben auch die Autoren in ihren Krimis als "dokumentarische" Einschübe gern "Zeitungsausschnitte" und andere fiktionale Medienpartikel.

Was?
Schreibende Journalisten sind in der Regel keine Experten für ausfeilte Psycho-Studien, für psychologisch orientierte Kriminalgeschichten. Ihr Schwerpunkt liegt eher bei Geschichten, die Zusammenhänge darstellen, das "Funktionieren" von Staat und Gesellschaft. Journalisten-Krimis verkaufen sich also eher über "das Thema".

An Beispielen heißt das etwa:
-Die Nürburg-Papiere von Jacques Berndorf über den Klüngel beim Bau der Nürburg-Ringes
-Der nützliche Feind von Ulrich Wickert zum Kauf der Leuna-Raffinerie durch France-Oil
-Grappa und die Seelenfänger von Gabriella Wollenhaupt - einmal über die Hintergründe von Casting-Show, dann über die Machenschaften von "Erleuchtungssekten"

Von der Form her sind Journalisten-Krimis eher Aufklärer-Krimis im wahrsten Sinn des Wortes. Sie stellen oft eine zentrale Aufklärer-Figur (nicht selten ein Journalist, Berndorf, Wollenhaupt) in den Mittelpunkt, die man auch gern als alter ego des Autors sehen kann (aber nicht muss).

Auf der langen Strecke eines ganzen Romans können Journalisten "ihr" Thema also umfassend beleuchten und auffächern - was ihnen in dieser Komplexität ja in ihren journalistischen Medien nicht möglich ist: dort ist man auf Nachrichtenformate beschränkt und zudem auch meist an die Aktualitäten gebunden, die eine tiefergreifende Darstellung nicht ermöglichen.


Wann?
Schreibende Journalisten kommen häufig mit zunehmendem Alter oder erst bei ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben zum Schreiben von Romane. Das mag mit der Erfüllung eines Lebenstraumes zu tun  haben ("Jeder Journalist hat einen Roman in der Schublade!") - oder aber auch mit dem Wunsch, auch weiterhin schreibend tätig zu sein, sich möglicherweise auch zu entwickeln oder sich in einem neuen Bereich des Schreibens zu erproben.

Eine andere Gruppe beginnt bereits während der journalistischen Arbeit damit, Romane zu schreiben - sicher aus den gleichen Gründen - und betreibt die die Autorentätigkeit durchaus als zweites Standbein.

In den USA ist auch so, dass das Schreiben von Romanen oft eine eingeplante Zweittätigkeit von Gerichts- und Polizeireportern ist - siehe Michael Connelly (war Polizeireporter der Los Angeles Times) oder John Katzenbach (war Gerichtsreporter für The Miami Herald).



Warum?
Natürlich ist es müßig, zu fragen, warum Journalisten schreiben - ob sie nun für die Zeitung arbeiten, für den Funk arbeiten oder fürs Fernsehen: Wenn wir mal die harten News-Journalisten herausnehmen, geht es den Presseleuten darum, Geschichten zu erzählen. Sie wollen (sich) vermitteln, was interessant ist, bzw was sie für interessant halten.

Während journalistisches Schreiben eigentlich im Dienst "der Sache" steht, und der Autor oftmals auch gar nicht in den Vordergrund rückt (abgesehen von den sogenannten "Edelfedern"), hat man als Belletristik-Autor auch die Aufmerksamkeit für die eigene Person, die Person  des "Autors", der gerade jetzt im Rahmen der Eventsierung der Literatur von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.

Ein  weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass die Verlagsbranche derzeit auch zunehmend bei "Erst"-Autoren auf eine bereits vorhandene Medienpräsenz Wert legt, von der man profitieren möchte. Dadurch ist den Journalisten, die ja bestenfalls bereits über eine gewisse Bekanntheit verfügen, einen leichteren Zugang zum  Markt als andere Autoren.

ENDE