28.3.11

Criminale Crash 3/3


Eine wahre Geschichte
Von MJ Hammer
Aufgezeichnet von H.P. Karr

Was bisher geschah

In dem Keller war es so heiß wie im Arsch der Teufels. Im schwächlichen Licht der schwächlichen Glühbirne bibberte der Schwächling vom Krimi-Archiv vor sich hin. Sie hatten uns an ein Regal gebunden, auf dem ein paar komische Dinge standen, die wohl die Glauser-Preise darstellen sollten. Als ich wach wurde, dröhnte mir der Schädel. Den Geschmack in meinem Mund beschreibe ich Ihnen lieber erst gar nicht.
Das Weichei grinste schief. »Konfuzius sagt: Man trifft sich immer zweimal im Leben.«
Das hat zwar mein Dad gesagt, aber ich hatte im Moment andere Sachen im Kopf, als mich mit ihm darüber zu streiten. »Sagt Konfuzius auch was darüber, wie man aus dem Keller von so einer abgewrackten Stadthalle rauskommt, wenn man an Regal mit skurrilen Krimipreisen festgebunden ist?«
»Er sagt: Der Preis ist heiß!«

Zuerst dachte, dass er in der Hitze total durchgeknallt wäre, aber dann sah ich, was er meinte. Da, wo mich die Schwestern festgebunden hatten, stand einer von den alten Glausern, ein schrilles Metallteil mit ordentlichen Kanten, an denen ich den Strick durchscheuern konnte, mit dem sie mich festgebunden hatten.
»Sie wollen uns gleich holen und dann auf einer Podiumsdiskussion fertig machen!«, sagte das Weichei.
»Scheiße«, sagte ich.
»Das gefällt mir an dir«, sagte er. »Du bist so konstruktiv.«

Ich rubbelte weiter und nach fünf Minuten lief mir der Schweiß so runter, dass ich jeden Wet-T-shirt Wettbewerb gewonnen hätte. Das Weichei kriegte Stielaugen und leckte sich die Lippen.
»Ha«, sagte ich. »Scheinst ja doch ein Kerl zu sein.«
»Kommt immer auf die Frau an«, sagte er.
»Klar!« Endlich hatte ich den Strick durchgerubbelt. »Immer hängt's von uns ab!« Ich machte mich auf die Suche nach einem Ausgang.
»Mach mich los!«, kreischte das Weichei hinter mir.
»Selbst ist der Mann!«

Die Stahltür, vor der ich stand, sah gut aus. Ich machte sie auf. Dahinter sah es nicht mehr so gut aus, denn da standen Mister Ali mit dem Hut und eine ziemliche Ecke, mit einem Bizeps, wie ich ihn bisher nur bei der »Tödlichen Doris« gesehen hatte. »Na, was hab ich sagt, Thomas«, meinte Ali. »So leicht lässt sich unsere amerikanische Freundin nicht unterkriegen!« Der Typ, der Thomas hieß, packte mich, während Ali das Weichei losband. Dann stießen sie uns beide über die Treppe nach oben. »Los! Aufs Podium, zum Kreuzverhör!«

* * *

Im Vergleich zu dem Zeug, das uns auf dem Podium bei der Diskussion um die Ohren flog, waren die Schlammringkämpfe in Terrys Blue Bar eine blitzsaubere Sache. Die Figuren, mit denen wir auf dem Podium hockten, waren noch schlimmer als mein Freund, das Weichei. Einer war ein Professor, der allen Ernstes die Wörter in Krimis gezählt hatte; dann waren da noch ein paar Bullen von der Polizei, die bloß meinten, die Krimischreiber hätten von Tuten und Blasen keine Ahnung. Und natürlich die Krimischreiber selber: »Wir müssen …« - »Wir wollen …« - »Wir fordern …«
Und es war ganz klar, wer bei der Nummer die Arschkarte hatte: das Weichei und natürlich ich: »Dein Vater ist doch an allem Schuld!«

»Du musst nur sagen, dass dein Dad ein Trottel ist!«, raunte der eckige Thomas neben mir. Der Kerl zog hier offenbar die Strippen und hatte den Charme einer Kettensäge. »Dann lassen wir dich laufen. Also spucks lieber aus!«

»Wenn hier einer was ausspuckt, dann du deine Zähne!«, knurrte ich. Der eisenharte Griff, mit dem er meine Hand unter Tisch fest hielt, verstärkte sich.
Das Weichei war noch schlimmer dran, denn den hatten gleich zwei im Griff: Die Mylady und der Ali mit dem Hut. Trotzdem hielt er sich ganz gut. Er hielt sich sogar sehr gut.

»Ihr bildet euch wohl eine Menge ein«, sagte er auf einmal. »Wollt ihr tatsächlich behaupten, dass ihr nie was von Enid Blyton gelesen habt? Oder Nancy Drew?« Die Ladys unten im Publikum hielten schlagartig die Klappe. Die »Apothekerin« kippte nach hinten und musste mit ihrem Riechfläschchen wiederbelebt werden. Dabei war das Weichei war noch längst nicht fertig: »Ihr bildet euch tatsächlich ein, dass ihr den Krimi ganz alleine erfunden habt? Dass es Edgar Allan Poe und Conan Doyle nie gegeben hat?« Jetzt waren auch die Kerle geplättet. Ich auch, nebenbei gesagt. Das Weichei war auf einmal richtig hartgekocht. »Und was ist mit Chandler, Hammett, Cain und Gardner?«, brüllte er und schoss in die Höhe. »Mal abgesehen davon, dass die den Krimi erst richtig nach vorn gebracht haben: Die haben auch viel mehr geschrieben als ihr. Wahrscheinlich, weil sie nicht so viel übers Schreiben gequatscht haben. Weil die auf den ganzen Theorieblödsinn gepfiffen haben. Die hatten nur eine Regel: Du sollst keine langweiligen Geschichten schreiben.«

Er starrte in den Saal. Es war so still, dass man den Kakerlaken beim Vögeln zuhören konnte. »Okay«, sagte das Weichei und sah zu mir rüber. Was soll ich sagen - da war was in seinem Blick, was mir bis unter die Zehennägel ging. »Wenn ihrs den Amerikanern zeigen wollt, dann zeigts ihnen, indem ihr besser seid. Aber dafür müsst ihr erstmal genauso gut werden wie der alte Herr von der Lady hier. Der hat's nämlich wirklich draufgehabt, und wenn ich mich fragt, dann ist es eine Schande, dass seine Bücher hier nicht mehr gekauft werden.«

Ich hatte gar nicht mitgekriegt, wie der eckige Thomas meine Hand losgelassen hatte. Er glotzte das Weichei fassungslos an.
»Und außerdem«, sagte das Weichei leise, aber seine Stimme war auf einmal hart wie der Stahl, »wenn ihr der Lady hier...«, er zeigte auf mich, »was tut, dann kriegt ihr es mit mir zu tun!«

Wow!

Ich meine, nicht dass ich es nicht auch selber geschafft hätte, aus dieser Nummer rauszukommen. Aber irgendwie war mir doch ganz schummrig, denn der letzte Kerl, der mal so was für mich getan hatte, war mein Dad gewesen. Ich war damals gerade acht und die Mädels von der Straßengang in unserem Viertel hatten es auf mich abgesehen gehabt, weil ich mit dieser Scheiß-Zahnspange rumlaufen musste.
Das Weichei kam zu mir rüber und nahm meine Hand. Im Saal rührte sich nicht mal ein Schweißtropfen. »Komm, Baby!« Er zog mich von dem Podium. »Besser, wir sind weg, ehe die schnallen, was ich gesagt habe.«
Zum ersten Mal war ich mit ihm einer Meinung. Und ehrlich, keiner wunderte sich mehr drüber, als ich selber.

* * *

In der Hotelbar flößte ich ihm erstmal einen Drink ein, während sich um uns herum sich die Jungs und Mädels von diesem SYNDIKAT die Kante gaben, als wäre morgen wieder Prohibition. Langsam beruhigte sich mein Freund, das Weichei. »Denen hab ich's aber gegeben!«, brabbelte er.
»Cool«, bestätigte ich.
»Das musste mal gesagt werden.«
»Und du hast es ihnen gesagt!«
Er strahlte mich an. »Ich habs für dich getan.«
»Na komm …«

Er war auf einmal ganz nah bei mir. In seinen Augen war was, was mir den Barhocker unterm Arsch wegzog. Nicht, dass ich nicht schon vorher mal dem einen oder anderen Kerl in die Augen gesehen hätte... aber der hier, der konnte einen angucken...
»Was ich da gestern über die Sache mit der Potenz gesagt hab, war Scheiße«, meinte er.
Ich hatte was im Hals und musste mich räuspern. »Na, das wollen wir doch nicht hoffen!«.

»Sag mal«, raunte er mir ins Ohr. »Du hast doch hier'n Zimmer, oder?«
Ich musste kichern. »Willst du etwa meine Kriminalromansammlung sehen?«
»Aber immer.« Er kicherte richtig süß. »Aber eigentlich«, sagte er, »passen wir ja gar nicht zusammen.«
»Scheißdrauf«, sagte ich.
Er grinste. »Ja, genau! Scheißdrauf!«
Dann küsste er mich. Danach war ich so fertig, dass er es war, der mit einen Drink einflößen musste.
Auf dem Weg aus der Bar mussten wir uns gegenseitig stützen. »Damit eins klar ist..«, sagte ich. »Ich bin eine Dame.«
Seine Hände machten sich auf mir selbständig. »Stimmt.«
»He«, sagte ich. »Für die coolen Sprüche bin ich zuständig.«
Irgendwie schafften wirs zum Lift und oben sogar bis zu meinem Zimmer. Wir purzelten aufs Bett und verknoteten uns ein bisschen ineinander. Zwischendurch fiel mir noch was ein: »Sag mal …«
»Ja?«
»Wie heißt du eigentlich?«

ENDE

Criminale Crash
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