27.3.11

Criminale Crash 2/3


Eine wahre Geschichte
Von MJ Hammer
Aufgezeichnet von H.P. Karr

Was bisher geschah

Die ganze Stadt war ein Witz. Angeblich war sie die größte Stadt am mittleren Niederrhein, aber ich kann Ihnen sagen, ich hab bei uns schon Parkplätze gesehn, die größer sind. Und interessanter. Die hielten hier tatsächlich ihre zwei Hochhäuser für eine Skyline und waren stolz auf die hundert Meter plattierten Elends, das sie Fußgängerzone nannten. Am Südausgang des Bahnhofs hingen ein paar Gestalten herum, die versuchten, wie Junkies auszusehen, aber was da in einer Stunde an Stoff verdealt wurde, jagt man sich bei uns im Big Apple schon zum Frühstück in die Vene.

Ich hatte Mister Weichei irgendwo bei Düsseldorf aus dem Wagen geschmissen, nachdem er mir die Fakten gegeben hatte, aber sein Angstschweiß hing immer noch in dem Mustang. Deswegen hatte stand die Karre jetzt auch quer über drei Stellplätze auf dem Parkplatz des »Holiday Inn«, in dem ich letzte Nacht den verpennten Nachtportier erstmal mit ein paar Klappsen auf den Hinterkopf auf Vordermann hatte bringen müssen, um ein Zimmer zu kriegen.

Nur ein paar hundert Meter von Hotel von der Speicker Straße weg, durch die Stadt an einem Krankenhaus vorbei, war diese »Kaiser Friedrich Halle« - ein Ding wie Barbies Ferienhaus - mit einem grünen Dach und Säulen am Eingang.

»Criminale« hieß es auf dem Transparent über dem Portal. Wenn mich das Weichei nicht angelogen hatte, trafen sich da gerade die ganzen Hotshots des neuen deutschen Krimis. Der Bücherwurm hatte mir noch gesagt, dass die Typen vom SYNDIKAT diese CRIMINALE jedes Jahr in eine anderen Stadt aufzogen und am Ende immer ein Preis - Glauser oder so - für den angeblichen besten deutschen Krimi verliehen. Ganz klar - wenn es wirklich was über den deutschen Regionalkrimi zu erfahren gab, dann hier.

Der goldbetresste Portier drückte mir einen blutroten Stempel auf den Handrücken und ließ mich ins Foyer. Da sah ich sie dann, die Typen, die meinem Dad und seinen Büchern hier das Wasser abzugraben versuchten. Ein smarter kleiner Bursche in Fussballdress war wohl so was wie der Obermax - jedenfalls quatschte er endlos in die einzige Fernsehkamera, die da war. Das heißt - gerade als ich reinkam, drängelte sich hinter mir noch ein kleiner, dreckiger Kameramann mit Rangerweste und ausgelatschten Turnschuhen durch. »Wieder mal zu spät, Gonzo?«, kicherte jemand, ohne dass der Typ sich irgendwie dran störte.

»Hi Ma'm!« Ein Kerl mit einer Figur, mit der er bei uns sofort einen Job als Kaufhausweihnachtsmann gekriegt hätte, grub mich von der Seite an. »Pleased to meet you!« Sein Hut war von besserer Qualität als sein Englisch. »Wir haben schon gehört, dass Sie kommen!« Außerdem meinte er, er hieße Ali oder so und würde mich gern ein bisschen rumführen.

Auf den Büchertischen sah ich den Kram, wegen dem ich hergekommen war: Regionalkrimis. Sahen eigentlich aus wie normale Krimis, aber dann stand immer noch drauf, was drin war: Allgäu oder Borkum oder Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern (was immer das auch sein mochte). Und ich sah die Leute, die das Zeug schrieben - ganz normale Jungs und Mädels eigentlich, denen man so gar nicht ansah, dass sie was mit Allgäu oder Mecklenburg-Vorpommern zu tun hatten. Mister Ali übergab mich an eine smarte Schwarzhaarige die alle nur Mylady nannten. Mylady meinte, sie sei hier direkt aus Mönchengladbach, hätte aber auch ein nettes Schlösschen auf der Insel - so genau weiß ich das nicht mehr - und ich müsse unbedingt die »Schwestern« kennen lernen.

Ehe ich mich umgucken konnte, saß ich auch schon mit den Damen bei Eierlikör und Herrentorte im Hallen-Café und wurde von der Bande über meine Fights mit der »Tödlichen Doris« ausgequetscht. Das Englisch der Damen war auf alle Fälle besser als ihr Eiergesöff. Gerade als sie mich zur Ehrenschwester machen wollten, kriegte ich mit, was die eine, die gerade reinkam, mit Mylady tuschelte. Es hörte so was wie: »Wir haben den Typ! Unten im Heizungskeller. Windet sich wie ein Wurm...«

Fragen Sie mich nicht, warum ich sofort an Mister Weichei denken musste. »Was für einen Wurm?«, fragte ich.
Kaltes Schweigen.
»He, Schwestern«, grinste ich. »Wir gehören sich zusammen!«
Wenn ich will, kann ich ein ganz schön hinterhältiges Aas sein. Sogar bei Schwestern.

»Der Bücherwurm hat sich unbeliebt gemacht!«, sagte die Lady schließlich. »Schreibt ständig Aufsätze darüber, dass der deutsche Krimi wieder echte Kerle braucht und keine starken Frauen. Diese Leseratte mit ihrem Krimi-Archiv! Aber heute Abend zeigen wir ihm, wozu starke Frauen in der Lage sind!« Sie gossen mir noch was von dem Eierzeug ein und stießen mit mir an. »Übrigens«, sagte eine, die ganz gemütlich aussah, und die sie die »Apothekerin« nannten: »Der Wurm hat uns auch erzählt, warum du hier bist, MJ …«

Schlagartig war mir klar, warum mein letztes Glas mit dem Eierzeug so komisch schmeckte und warum die Schwester die »Apothekerin« hieß. Es war dann auch vorerst das Letzte, was mir klar wurde, denn dann gingen mir alle Lichter aus.

Fotzsetzung folgt ... hier

Keine Kommentare: