12.7.09

John le Carré: Marionetten

Der neue Roman / Thriller des Großmeisters des Spionage-Thrillers.

Es beginnt in Hamburg - was führt der mysteriöse junge Tschetschenen Issa im Schilde, der nach langer Flucht über Schweden und Dänemark in Hamburg ankommt und bei dem, gediegenen Bankier Tommy Brue des "Erbe" seines (angeblich) verstorbenen Vaters einfordert. Der war ein verbrecherischer russischer General, Issa ist das Kind einer seiner Vergewaltigungen.

Issa - ein fanatischer Moslem auf dem Weg zum Nukleus einer Terrorzelle - oder einfach ein getriebener, simpler Einfaltspinsel, der sich dem düsteren Schatten seiner Herkunft zu entziehen sucht? Für die deutschen Dienste - Verfassungsschutz, BKA und BND und was da sonst noch spioniert und intrigiert - nicht leicht auszumachen. Aber besser Vorsicht walten lassen als später das Nachsehen haben. Das Trauma, dass die 9/11-Attentäter ihre Gründungszelle in Hamburg hatten, wirkt ganz deutlich nach. Also steckt Issa - und mit ihm jeder, der mit ihm zu tun hat - schon bald in einem Netz von Überwachungen- Spekulationen und Komplotten, aus dem es schon bald keinen Ausweg mehr zu geben scheint.

John le Carré schreibt auf den Punkt - er durchleuchtet die innere Sicherheitslage und die deutschen Befindlichkeiten mit dem Blick das sympathsierenden Briten. Und auch wenn Kritiker dem Buch vorwerfen, seine Figuren seien mitunter etwas zu eindimensional und die Story im Vergelich zu früheren Romane weniger komplex: le Carre ist auch so immer noch besser als alle anderen Geheimdienstthriller.

John le Carre;
Marionetten
Ullstein

11.7.09

Horst Eckert: Sprengkraft

In Düsseldorf geht eine Bombe hoch - im wahrsten Sinn des Wortes: In einem Hinterzimmer einer Hintehofmoschee knallt es gewaltig und ein paar jugendliche Araber sind tot, einer schwer verletzt.

Keine Routine für die Düsseldorfer Kripo - der Fall geht an Anna Winkler, eine junge Kommissarin, die vor einiger Zeit noch in Ex-Jusoglawien war, um dort beim Aufbau der Polizei zu helfen - und an ihren Kollegen Martin Zander. Der ist der "Padre", ein - nun sagen wir mal: Bulle von der eher zweifelhaften Sorte, dem immer noch die "Geschichte aus dem Einbruchsdezernat" nachhängt, wo mal was verschwunden ist, was nicht hätte verschwinden dürfen.

Wie auch immer - Anna Winkler und Martin Zander sind eh nicht allein für den Fall zuständig, schnell mischen hier alle mit, die meinen, bei einem möglichen terroristischen Hintergrund was zu sagen zu haben: Die Obermuftis aus dem Düsseldorfer Präsidium (hier treffen wir einmige ehemalige Helden aus Eckerts früheren Polizeiromanen wieder - Ben Engel, Ela Bach etc) , das BKA mit einem smarten Ermittler und nicht zuletzt auch Verfassungsschutz und Innemministerium und Bundesanwaltschaft und und und...

War's denn nun wirklich eine Terrorzelle, die sich da aus Versehen selbst in die Luft gespröengt hat - so eine Art von "Sauerlandgruppe"? Mit Moritz Lemke ist das nicht die Frage. Lmbke ist der Pressesprecher der FREIHEITLCIHEN, einer eher... sagen wir: rechtsgestrickten Splitterpartei, die sich gerade auf dem Weg an den rechten Rand der Mitte befindet, mit ihrer neuen Vorsitzenden.

Früher war Moritz Lemke mal ein seriöser politischer Journalist in Köln, jetzt ist er der Scharfmacher vom Dienst: Schnell hat er sich mit den Freiheitlichen an die Spitze derer gesetzt, die die Bombenbexplosion in Düsseldorf für ihre Zwecke ausnutzen wollen.
Wer die Krimis von Horst Eckert kennt, der wird hier nicht nur viele Figuren seines Personenensembles aus dem Düsseldorfer Präsidium wiederentdecken, sondern auch einige Themen, die er schon früher behandelt hat: Korruptin, Gewalt, menschliche Unzuglinglichkeit. Die "Sprengkraft" dieses Romans ist aber seine konsequente Hinwendung zum Polit-Thiller, wie er etwa von John le Carre oder Ross Thomas geschrieben wurde. Und das gelingt ihm perfekt - mit schnellen Schnitten, einer konsequent vorwärtstreibenden Geschichte und einem Finale, das wirklich überraschend ist. Denn: Nichts ist so, wie es scheint.

Horst Eckert
Sprengkraft
grafit
HÖRBUCH:
Sprengkraft, gelesen vom Autor
Radioropa

John Misto: Des Teufels Stimme

Es ist eine regnerische, stürmische Nacht als Constable Greg Raine und seine Parterin Nikki zum Frauenkloster von St. Michael gerufen werden - ein Einbruch, mehr ist scheinbar nicht passiert.
Doch es gibt einiges, was Greg aufmerksam werden lässt - denn er kennt St. Michael gut - schließlich hat er hier bei Mutter Dominic und ihren Nonnen einen Teil seiner Kindheit verbracht.
Und daran nicht nur die angenehmsten Erinnerungen.

Jetzt fragt sich Greg, ob der Einbruch mit Vandalismus etwas mit dem Verschwinden der dreijährigen Anna Brennan zu tun hat, die hier in St, Michael am Rande des Weihnachtsgottesdienes verschwunden ist. Denn bei den Fingerabdrücken, die nach dem Einbruch im gesichert wurde, ist einer, der zu Anna Brennan passt. Und es ist kein Abdruck, den der Eindringling hinterlassen hat, sondern er stammt von einer jungen Nonne: Schwester Martha, angeblich Kind einer Prostituierten und im Kloster aufgewachsen.
Fingerabdrücke lügen nicht - ist also Martha die verschwundene Anna? Obwohl Gregs Vater - pensionierter Polizist und seinerzeit an maßgeblicher Stelle mit dem Fall befasst, beschwört, dass das Kind tot sei. Beweisen kann er das freilich nicht - also nur Gerede eines schwer krebskranken, totgeweihten Mannes?
Für Constable Greg Raine wird der Fall zur persönlichen Sache, als seine Partnerin und Freundin Nikki bei einer Explosion ums Leben kommt. Kann es sein, dass eigentlich er in der Feuerhölle sterben sollte?

John Misto, erfahrener australischer Theater- und Drehbuchautor zieht in seinem Debüthriller DIE STIMME DES TEUFELS die Spannungsschraube ganz subtil immer weiter an. Je weiter wir Greg Raine bei seinen Ermittlungen folgen, desto mehr verlieren wir - genau wie er, den Boden unter den Füßen. Alles kreist um die Kirche und das Kloster von St. Michael, wo sich offenbar schon vor Jahren die Schicksale aller Beteiligten untrennbar miteiannder verflochten haben - zu einem tödlichen Gewirr von Lebenslügen, Machtgier und Korruption.

Die Lösung dieses Durcheinanders führt Greg schließlich bis an die Grenze seiner Leidensfähigkeit - das Finale des Romanes lässt alle Vermutungungen, die der Leser über die Zusammenhänge gehabt hat, ins Leere laufen und präsentiert eine Lösung, die die Bezeichung "überraschend" wirklich verdient - allerdings nicht so ganz die Bezeichnung "glaubwürdig".

John Misto
Des Teufels Stimme
Fischer TB