26.1.08

Thomas Hoeps / Jac. Toes: Nach allen Regeln der Kunst

Mönchengladbach, Museum am Abteiberg: Man hat eine Leiche gefunden, eine tote Frau. Versteckt - verborgen - in einer Figur aus der Ausstelung, die gerade gezeigt wird.
Das bekommt Thomas de Quincys Klassischer Satz vom "Mord als schöne Kunst betrachtet" glatt einen neuen Sinn.
Die Tote ist die Frau der Museumsdirektors aud der holländischen Nachbarstadt Arnheim.
Ihre Verbindung zum Museum in Mönchengladbach war nicht nur von der Liebe zur Kunst bestimmt, sondern ganz offenbar auch der Liebe zu dem Museums-Chef Dr. Zink - und seiner Vorliebe für künstlerisch angehauchte SM-Spiele.
Die Mönchengladbacher Kripo schießt sich schnell auf Museumschef Zink als Tatverdächtigen ein. Was Robert Patati, Chefrestaurator am Abteiberg, nicht so ganz zufriedenstellt. Zusammen mit seiner - Freundin? - Katja von der Mordkommission fragt er hier und da weiter herum und stößt dabei in Arnheim auf wichtige Spuren in Sachen Kunsthandel und Kunstschieberei. Und er lernt in Armheim Micky Spijker kennen, Profilerin bei der Kripo Anheim und derzeit befasst mit zwei Fällen, von denen sie nicht ahnt, dass sie bald auf Spuren stößt, die sie zu dem Fall in Mönchengladbach führen. Einmal ist die Tochter eines Unternehmers in Argentinien verschwunden, bzw sitzt im Drogenknast, zum anderen geht es um die Aussage eines jungen Kunststudentin, die einen Aushilfsprofessor als den Serienverwaltiger identifiziert hat, nach dem Arnheimer Kripo schon laneg sucht. Nur ist Micky Spijker ganz sicher, dass diese Identifizierung nicht stimmt - und dann ist die betreffende Studentin tot - offenbar Opfer des gleichen irren Kunstkillers, der bereits im Musuem in Mönchengladbach zugeschlagen hat.

Die beiden Autoren - ein Deutscher, ein Niederländer, lassen den Leser kaum eine Pause zum Durchatmen: Die Geschichte rast von Mönchengladbach nach Arnheim nach Buenos Aires und wieder zurück. Angereichert ist sie mit vielen Interna aus dem Kunsthandels- und Museumsbetrieb.

Spannend, temporeich, grenzüberschreitend: Hoeps und Toes beherrschen die Kunst des Krimis wirklich nach allen Regeln.

Thomas Hoeps / Jac. Toes:
Nach allen Regeln der Kunst
grafit

1.1.08

Ingrid Parker: Der Prinz von Sadioshime

Japan im 11. Jahrhundert. Unser Hled heißt Akitada, uist Gouverneur in einer entlegenen Provinz im Norden und hat sich schon einige Male als listenreicher und findiger Ermittler in kriminalfällen bewährt. Diesmal wird er vom Kaiser beuaftragt, den Tod von Prinz Okisado aufzuklären, der auf der Insel Sadoshina bei einem Essen im Kreis seiner Freunde ums Leben gekommen ist. Für die Behörden vor Ort scheint der Fall klar - der Sohn des örtlichen Gouverneurs scheint überführt, dem Prinzen das vergiftete Garnelengericht mitgebracht zu haben.

Aber ist das wirklich die Wahrheit? Oder nur ein Teil eines Komplottes aus Machtintrigen und Gewinnsucht, in das sich die Herrschenden der Insel verstrickt haben?

Akitada schleust sich als Strafgefangener in die Strafkolonie auf der Insel Sadoshima ein - ein hartes und gefährliches Unterfangen, denn als Gefangener im Japen des 11. Jahrhudnert ist man dem Tod näher als dem Leben.
Es dauert nicht lange, bis Akitada die ersten Ermittlungsergebnisse über den Tod des Prinzen vorweisen kann - und es scheint, als sei der junge Mann - Sohn des Gouverneurs - in eine Intrige hineingeraten, die eigentlich seinem vater galt: denn der war eigentlich zum Festessen des Prinzen eingeladen worden. Steckt der größte Lehnsherr von Sadoshima vielleicht dahinter - war der Mord an dem Prinzen ein Versuch, den Gouverneur zu entmachten? Oder hat der Leiter der Strafkolonie seine Finger im Spiel, der seine Gefangenen in den Silberminen bis zum Umfallen schuften lässt?

Ingrid J. Parker, eine Amerikanerin, bringt dem leser in irhem Roman das Japan des 11. Jahrhunderts wirklichs ehr lebendig und unterhaltsam nah - weil sie sich mit ihrer Kriminalgeschichte an die klassischen Regeln des Genres hält und sich damit Raum für viel Landeskunde und Geschichte ihres Schauplatzes schafft. Und ihre Held Akitada ist ein Detektiv, wie man ihn einfach lieben muss: clever und mutig, wenn es darauf ankomt, sensibel und einfühlend, wenn er es mit menschlichen Schwächen zu tun bekommt.

Ingrid J. Parker
Der Prinz von Sadioshime
Aufbau-Taschenbuch

Theodore Roszak: Schattenlichter

Ein Roman über, nein: eine Liebeserklärung an die - wie manche meinen - schönste aller Künste: DAS KINO. Zugleich ein Thriller von wahrhaft Dan-Brownscher Dimension, mit allem was einer solchen Geschichte gehört: weltweite, geschichtsträchtige Verschwörung, geheimnisvolle Zeichen, sympathische Helden.
Kurz gesagt: ein perfektes Buch, ein wunderbarer Roman, ein packender Thriller, eine anrührende, spannende Geschichte über zwei Menschen, die in den Bann eines großes Geheimnisss geraten.
Aber worum geht es denn eigentlich in SCHATTENLICHTER, einem 877-Seiten-Thriller, der vielleicht auf der einen oder anderen Seite mal für den nicht-ganz-so-Kino-interessierten Leser etwas weitschweifig wird, der aber dennoch nie an Sapnnung verliert?

Es geht zunächst einmal um Jonathan Gates, einen Filmstudentenden und Filmfreak, der im Los Angeles der 60er Jahre in dem abgewrackten Kunstkino CLASSIC die betörende Programm-Macherin Clare kennen lernt.
Und durch sie zum ersten Mal einen Film von Max Castle sieht: ein schauriges Schundprodukt des deutschstämmigen Regisseurs, der nach seinen Anfängen bei der UFA im Belrin der 30er Jahre nach Amerika kam und dort in Hollywood als Verfertiger von B- und C-Pictures endete, die Titel trugen wie "Die Rache des Ghuls" oder "Die Stunde des Henkers".

Dieser Max Castle - eigentlich Max von Kastell - lässt Jonathan nicht los - weil Jonathan in seinen Filmen, die er nach und nach auf die abenteuerlichste Art und Weise auftreibt - etwas sieht - nein: spürt, was einzigartig ist.

Max Castle beherrschte offenbar eine einzigartige Methode der technischen und psychologischen Manipulation, durch die er ein Kinopublikum dem reinen Terror, dem Blick in die eigene Seele, aussetzen konnte.

Und je weiter Jonathan in die Geheimnisse dieses Filmemachers Max Castle eindringt, dessen Biographie vom Autor trickreich in die echte Kino-Geschichte eingeflochten ist, desto klarer wird unserem Helden, dass er hier einer gigantischen Verschwörung auf der Spur ist, die bis weit in die vor-christliche Zeit zurückreicht und deren aktuelle Bestrebung es ist, die Welt ins Verderben zu stürzen.
Ein plot, das zu weit her geholt klingt? Nur auf den ersten Blick. Denn SCHATTENLICHTER ist genauso doppelbödig, so vielfach verschachtelt wie die Meisterwerke des Max Castle: Fakten und Fiktion sind derart geschickt ineinander verwoben, dass man sich dem suggestiven Bann der Geschichte als Leser nicht entziehen kann. Einem Bann, der um so stärker ist, je mehr das Kino liebt. Damit ist das Buch einer der intelligentesten Thriller, die in der letzten Zeit erschienen sind.

SCHATTENLICHTER ist genauso doppelbödig, so vielfach verschachtelt wie die Meisterwerke des Max Castle: Fakten und Fiktion sind derart geschickt verwoben, dass man sich dem suggestiven Bann der Geschichte nicht entziehen kann.

Theodore Roszak
Schattenlichter
Heyne Softcover
877 Seiten

Andy Oakes: Drachenaugen

In Shanghai liegen acht Leichen am Ufer des Hungpu, sieben Männer und eine Frau, grässlich entstellt und zusammengekettet. Kein gewöhnlicher Fall für Kommissar Sun Piao uns seinen Kollegen Yoabang von der örtlichen Polizei. Denn am Tatort stehen Männer von der Staatssicherheit hereum, um ihn nach Kärften zu behindern. Und der Rechtsmeidziner meint, er könne - warum auch immer - die Toten nicht obduzieren. Der Studnet der Gynäkologie, den Piaos Kollege aus seiner Verwandtschaft für eine notdürftige Obduktion organisiert, stirbt unter seltsamen Umständen. Die Kphlhalle des Schlachthofes, in dem der Kommissar die Toten zwischenlagert, brennt ab. Piaos Polizeichef tut alles, was in seinen Kärften steht, um seinen Kommissra abzuschieben. Doch Sun Piao hat sich in den Fall verbissen. Er will "die tote Katze umdrehen". Wie er seine Ermittlungen umschreibt.

Ein spannende, buntes, verstörendes Portrait der Boomtown Shanghai und die schockierenden Geschäfte des organisierten Verbrechens auf internationales Ebene.

Andy Oakes:
Drachenaugen
dtv

Jaceques Berndorf: Ein guter Mann

Jacques Berndorf spielt jetzt in der Bundesliga des europäischen Action-Thrillers. Seine Stärken: rasanter Stil und penible Recherche.

Ein Agententhriller des Eifel-Krimi.-Spezialisten Jacques Berndorf: Karl Müller - ein "guter Mann" des Bundesnachrichtendienstes wundert sich, dass sein syrischer Informant plötzlich konspirativ von Damaksus über Ägypten nach berlin gereist ist, ohne iihm etwas davon zu sagen. Dass eine zu allem entschlossene Terror-Gruppe dahinter steckt, die sich der Computer-Kenntnisse des Syrers bedient, um aus gestohlenem Kobalt eine "schmutzige Bombe" zu bauen, ahnt Müller noch nicht, als er sich auf die Spur seines Informanten setzt.

Jacques Berndorf:
Ein guter Mann
Heyne

Bernhard Jaumann: Die Vipern von Montesecco

Matteo Vannoni kommt aus dem Gefängnis, kommt zurück nach Montesecco - 15 Jahre hat er gesessen, weil er seine Frau Maria erschossen hat, als er sie mit Giorgio Lucarelli erwischt hat.
Montesecco ist das Dorf, im Hinterland der Adria, die geballte Hitze drückt auf die Dächer, die Fensterläden sind geschlossen, und gegen Abend trifft man sich auf der Piazetta unterm Kirchenportal, auf dem Balcone. Hier schlägt das Herz des Dorfes. Hier sitzen sie, essen, trinken, reden: Ivan Garzone , Marta Garzone, die Barpächterin, Angelo Sgreccia, der Lastwagenfahrer, Benito, Curzio und all die anderen.
Sie reden und fragen sich, wie es sein wird, wennn Matteo seinen Nebenbuhler Giorgio wiedertrifft.

Und dass man sich treffen wird, ist sicher. Denn in Montesecco leben nur noch ein paar Dutzend Menschen, siebenundzwanzig, um genau zu sein. Alle anderen sind weggezogen, vor Jahren schon, nach Mailand und Turin, Deutschland oder Belgien, auf der Suche nach Arbeit. Die Schwefelmine ist geschlossen, die Läden haben pleite gemacht, die Schule ist aufgegeben und das einzige, was hier noch wächst in Montesecco ist die Zahl der Gräber auf dem Friedhof.

Zu dem bald das von Giorgio Lucarelli hinzukommen wird, der an diesem glutheißen Nachmittag von einer Viper gebissen wird. Es gibt viele Vipern in Montesecco, in diesem Sommer. Treibt die Hitze sie aus den Bergen herunter? Oder lockt sie das Böse, das die Dorfgemeinschaft bedroht? Denn nicht allein die Viper hat Giorgio getötet - es muss jemanden geben, der ihn hat sterben lassen, der ihn fand und keine Hilfe holte. Jemand, der ihn ermordet hat.
Mit einem Mörder kann man in einem Dorf wie Montesecco leben - aber nicht mit einem unaufgeklärten Mord. Und deshalb beschließt man gemeinsam, das Geheimnis um Giorgios Tod zu klären, das Geheimnis der Vipern von Montesecco.

Eine Dorfgeschichte, eine sehr europäische Geschichte. Dem analytischen Erzählungen von monströsen Serienmorden aus den amerikanischen Großstädten setzt Glauser-Preisträger Bernhard Jaumann sein poetisches Konzept der archaischen Dorfgemeinschaft gegenüber. Das Leben, die Liebe der Tod - nicht mehr und nicht weniger braucht er als Material für seine elegant zwischen Lebensfreude, Komik und dramatischem Gottesgericht schwebende Geschichte aus Montesecco.

Bernhard Jaumann:
Die Vipern von Montesecco
Gustav Kiepenheuer

Susanne Mischke: Wölfe und Lämmer

Vier Menschen auf einem ausgebauten Bauernhof im Norddeutschen. Zwei Pärchen, alte Freunde, beautiful people allesamt: hier hat sich das klassische Bürgertum unserer Tage versammelt: Robin, der verhinderte Schriftsteller mit seiner Freundin Klara, die heimlich Wölfe züchtet, um sie dann ebenso heimlich für eine mysteriöse Tierschutzorganisation in deutschen Wäldern auszuwildern.
Barbara, die ihre Erfüllung als Lebensabschnittsgefährtin von Hannes findet, dem Fernsehrichter, der unter der Woche in Hamburg zu tun hat und sich da die eine oder andere erotische Abwechslung gönnt.

Idylle also, vordergründig, brüchig. Idylle, die von dem kleinsten Windstoß in Unordnung gebracht werden kann. Wie zum Beispiel von Nasrin, der jungen Türkin, die Barbara über den Weg läuft und behauptet, sie noch aus ihrer Zeit als Kindergärtnerin zu kennen. Als typischer Gutmensch hilft Barbara Nasrin natürlich, weil diese sich angeblich vor ihrer Familie verstecken muss.

Ist es Zufall, dass zur gleichen Zeit eine Journalistin heftig eggen Barbaras Gefährtin Hannes schießt? Der Pappa Gnädig des Fernshegerichtes soll sich noch zu seiner Zeit als echter Richter mit harten Urteilen gegen ausländische Jugendliche als rechter Populist profiliert haben.

Erst einmal in Unordnung geraten, kann die Idylle nicht mehr länger aufrechterhalten werden, schon gar nicht, als plötzlich eines Nachts auf dem Hof ein Schuss fällt und ein Toter vor der Tür liegt. Wir Leser wissen, dass es der Lebhaber der Wolfsfreundin Klara ist, aber wir wissen nicht genau, ob es wirklich Robin war, der ihn erschossen hat.

Vier Leute und eine Leiche - damit beginnt dann in Susanne Mischkes Roman die Kriminalgeschichte etwas ins Absurde abzudrehen. Denn wie soll man so ohne weiteres glauben, dass die vier sich kaltblütig entschließen, den Toten verschwinden zu lassen - indem sie ihn einfach den Schweinen zum Fraß vorwerfen? Der Thriller wird zur Farce - und die reißt letzendlich allen Beteiligten am Landleben die Maske der Bürgerlichkeit vom Gesicht.

Susanne Mischke
Wölfe und Lämmer
Piper 4236