29.6.07

Jaeger, Henry


Henry Jaeger, geb 29-06-1927 in Frankfurt, Sohn eines Kupferschmieds, besuchte Volksschule und höhere Schule und wurde dort wegen "Aufsässigkeit" relegiert. Mit 15 wurde er zum Flakdienst eingezogen und als Fallschirmjäger eingesetzt. Nach Militärzeit und Kriegsgefangenschaft besuchte er Abendschulen, arbeitete tagsüber als Laborant und faßte den Entschluß, Arzt zu werden. Die Umstände aber verhinderten es - Jaeger rutschte in die Kriminalität ab.
Nach einer Serie von Raubüberfällen, die er mit anderen beging, wurde er 1955 verhaftet und 1956 zu zwölf Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Freiburger Gefängnispfarrer erwirkte für ihn eine Schreiberlaubnis und betraute ihn mit der redaktionellen Leitung der Gefangenenzeitung.
Noch während seiner Haftzeit schrieb und veröffentlichte Jaeger seinen ersten Roman DIE FESTUNG, der auch von der literarischen Kritik der frühen sechziger Jahre ernsthaft aufgenommen wurde.
1963 wurde Jaeger schließlich durch einen Gnadenerlaß aus der Haft entlassen und arbietete während seiner Bewährungszeit als Volontär bei der "Frankfurter Rundschau".

In den nächsten Jahren schrieb er eine Reihe weiterer zeitkritischer Romane, die jedoch niemals wieder die gleiche positive Resonanz bei der Kritik erzielten wie sein Erstling. Zunehmend registrierte man in Jaegers Werk thematische und stilistische Stagnation und ein Abgleiten in triviale und populäre Muster.

Neben seinen Romanen veröffentlichte Jaeger, der mittlerweile im schweizerischen Ascona lebte, auch eine Reihe von Kurzkrimi-Sammlungen, deren einzelne Geschichten in den folgenden Jahren unter wechselnden Pseudonymen immer wieder in Publikumszeitschriften nachgedruckt wurden.

Henry Jaegers Stärken waren die genauen Beobachtungen im Gauner- und Ganovenmilieu, seine häufig in Rollenprosa gestalteten Texte spiegelten sein gutes sprachliches Einfühlungsvermögen in diese Gruppe wieder. Auch in seinen durchweg einfach gebauten Kriminalstorys ließ Jaeger sich nicht auf die für dieses Genre typische Denunzierung seiner kriminellen Hauptfiguren sein, sondern erzählte auch hier meist humoristisch.

Henry Jager starb 2000 in Ascona.
Über Henry Jaeger:

1999 Ein Gangster schreibt sich frei (Feature, HR-Fernsehen, 45 Min) (Autor: Dietrich Wagner, Redaktion: Esther Shapiro) EA 14.4.1999 ARD



KRIMINALROMANE / THRILLER:
1962 Die Festung, Desch Verlag OA HC
1963 Rebellion der Verlorenen, Desch Verlag, OA HC
1964 Die bestrafte Zeit, Desch Verlag, OA HC
1966 Das Freudenhaus, Rütten&Loening, OA HC (Heyne 5013)
1969 Der Club, Droemer OA HC (Droemer Knaur 259)
1970 Der Drehorgelmann (Erzählung) Arche Verlag OA HC
1971 Die Schwestern, Merlin Verlag, OA HA (Heyne 5042)
1975 Nachruf auf ein Dutzend Gauner, C. Bertelsmann, OA HC
1978 Unter Anklage (Heyne 5359) OA)
1978 (m Elke Jaeger) Moses schießt ein Eigentor(Storys)(Heyne 5465)
1982 Amoklauf, Droemer OA HC
1983 Auch Mörder haben kleine Schwächen (Storys) (Knaur 1039)OA
1987 Der Nachtportier oder Die Rache des Stellvertreters (Stories) Niddatal: BrennGlas-Verl.
1995 Schnee - München: Herbig, OA HC


FERNSEHEN:
1962 Rebellion der Verlorenen (dreiteiliger Fernsehfilm, SDR) (Drehbuch: Wolfgang Menge nach dem gleichnamigen Roman von Henry Jaeger, Regie: Fritz Umgelter) EA: ARD 30.10.1969

1967 Zuchthaus ( mögl. auch: Die bestrafte Zeit) (Fernsehfilm, NDR,) (Drehbuch: Claus Hubalek, nach dem Roman "Die bestrafte Zeit" von Henry Jaeger, Regie: Rolf Hädrich)

1983 Hellseher wider Willen (Vierteiliger Fernsehfilm, Bavaria für WWF, je 46 Min) (Drehbuch: Walter Weber, Wilfried Schröder, Hartmut Grund nach dem gleichnamigen Roman von Henry Jaeger, Regie: Peter Weck)

1995 Tot auf Halde (Fernsehfilm, 90 Min, ZDF) (Drehbuch: Frank Göhre nach "Glückauf Kumpel oder Der große Beschiß" von Henry Jaeger, Regie: Theodor Kotulla) EA 23.1.1995



FILM: Verfilmungen
1964 Verdammt zur Sünde (TV-Titel: Die Festung) (Regie: Alfred Weidenmann, Drehbuch: Eberhard Kleindorff, Johanna Sibelius nach dem Roman "Die Festung" von Henry Jaeger) Mit Martin Held und Hildegard Knef

1970 Das Freudenhaus (Regie: Alfred Weidenmann, Drehbuch: Alfred Weidenmann nach einem Roman von Jaeger) Mit Karin Jacobsen

1973 ...aber Jonny (Deutschalnd, 96 Min) (Drehbuch: Alfred Weidenmann und Henry Jaeger, Regie: Alfred Weidenmann) KINO EA 2.5.1973


Am Samstag dem 30. Juni...


...werden sich gegen 20 Uhr wieder vier Gestalten diskret im Sendekomplex WDR5 zusammenfinden um die Krimi-Fans in Nordrhein-Westfalen mit mörderischen neuen Tipps über lesenswerte Neuerscheinungen versorgen.

Die Mordsberatung in WDR 5 ist ein - Achtung Fachbgeriff: call-in-show. Was soviel heißt wie: Man kann im Studio anrufen (oder sich per mail beteiligen), wenn man entweder einen Krimi-Tipp bekommen möchte oder vonn man selbst einen Krimi-Tipp loswerden möchte.

Im Studio werden die drei Krimi-Experten Manfred Sarrazin, Ingrid Müller-Münch und Reinhard Jahn beaufsichtigt von Moderator Thomas Hackenberg, der seit der ersten Sendung mit von der Partie ist. Hinter der Scheibe zur Regie wacht Redakteurin Pretra Brandl darüber, dass alle den richtigen Ton treffen und sortiert die Anrufer vor, die in die Sendung gestellt werden.

16.6.07

Marek Krajewski: Der Kalenderblattmörder

Breslau 1927. Breslau ist zu dieser Zeit noch eine deutsche Stadt. In dem Haus "Zu den zwei Greifen" hat ein Handwerker gerade seine Werkstatt eingerichtet und ist sehr irritiert über den seltsamen Geruch, der ihm aus einer bestimmten Wand entegegenschlägt - bis es ihm zuviel wird und er die Mauer aufbricht. In dem Hohlraum dahinter: Eine Toter, ein Mann, offenbar bei lebendigem Leib eingemauert und vorher so gefesselt, dass er sich selbst mit abnehmender Kraft selbst strangulierte. Ein grauenhafter Mordfall, ein Fall für Kriminalrat Eberhard Mock von der Polizei in Breslau.

Mock ist ein Mann mit viele, vielen Ecken und Kanten. Herrisch und liebevoll zugleich gegen seiner Frau Sophie. Voller Sehnsucht nach ihrer Liebe und einem Kind mit ihr. Eifersüchtig bis zur Unbeherrschtheit, so dass er seine Polizisten lieber seine Frau beschatten lässt, statt sie bei der Suche nach dem Mörder einzusetzen, der schon ein zweites Mal zugeschlagen hat: ein arbeitsloser Musiker ist in seinem Zimmer geradezu abgeschlachtet worden.
Und wieder war bei dem Toten - genau wie bei der eingemauerten Leiche - ein Kalenderblatt zu finden, mit einem Datum, das ganz offenbar das Datum der Mordtat ist.
Mock ermittelt weiter, ist schon bald geradezu besessen von der Jagd nach diesem Täter, den wir heute einen Serienkiller nennen würden - aber zugleich gerät Mocks Privatleben immer mehr aus der Bahn: Sein Neffe ist einer obskuren Malerin verfallen, seine Frau betrügt ihn, verlässt ihn, gerät in die Fänge eines charismatischen Tunichtguts aus dem Filmgeschäft und wird von ihm als Einsatz beim Roulette im Spielcasino in Wiesbaden gesetzt...

Das Szenarium aus Besessenheit und Korruption, Lust und Laster, das Marek Krajewksi entwirft, ist faszinierend und abstoßend zugleich in seiner eindringlichen Schilderung, und sein Kriminalrat Eberhard Mock ist sicher der schillerndste Ermittler der letzten Jahre: Egozentrisch, verfressen, dem Alkohol mehr als zugeneigt, unbeherrscht und sentimental, ein Polizist, der ganz bestimmt keinen Krimi-Fan unberührt lässt.

Krajewski, Marek
Der Kalenderblattmörder
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